Rehmedaillons und Spargel
Oder : Wenn die Zeit mal knapp wird
„Ach“, stöhnt Bonnie und schaut über die Weite des Bodensees. „Ist das schön hier.“
Wie recht sie hat. Aus der Ferne grüßt der Säntis, link hinter ihm schlängelt sich die Silvretta Hochalpenstraße verwegen durch die Berge, im Westen wartet der Schwarzwald auf uns mit dem Münstertal und hinter uns die Schwäbisch Alp.
Aber ich schweige.
„Du sagst ja gar nichts. Das ist doch dein Satz, den du in jeder Kurve in die Luft schreist.“
„Ach ja“, kommt es etwas leise aus meinem Mund.
„Ach ja? Was, ach ja?“ Bonnie rasselt mit der Kette.
„Es ist wirklich schön hier“, meine Stimme ein leises Zittern, „überall Schönheit, überall Täler, Pässe, Kurven, Fahrspaß bis zum Erbrechen, das ist …“
Bonnies metallisches Blau wird blass. „… bis zum Erbrechen?“
Mein Gott, was habe ich gesagt! Bonnie ist südlich der Donau aufgewachsen. Die herbe Schönheit einer lang sich hinziehenden Buchenallee kennt sie nicht. Die Korsorsstraße, 25 Kilometer von Wardenburg nach Bösel stur geradeaus, rechts und links Buchen, Eichen, Birken. Und noch rechter und linker das Moor, zart und braun mit einem Schlag ins Gelb, dazwischen Wollgras und
schillernde Libellen. Da entlang würde ich gerne mal in aller Ruhe Bonnies Kolben bollern lassen.
Aber ob ihr das gefällt?
Der Küstenkanal, von Oldenburg bis Holland, nach zwölf Kilometer die erste Kurve, die von drei Brummis verstopft ist. Nach 30 km ein kühner Links-Rechts-Schlenker über den Kanal und dann weiter geradeaus nach Groningen zum Großen Markt hinter der Martinikerk. Dort werden die Seitenkoffer gefüllt mit Fischen, mit Thunfisch, mit Tintenfische und mit Matjes und Garnelen.
Oder vielleicht vorher rechts ab, gleich nach der nämlichen Kurve hoch den Elisabethfehnkanal, vorbei an den Ferienkähnen und Segelbooten, vorbei an den kleinen Schleusen und Klappbrücken, vielleicht mal ein kurzer Schlenker nach Barßel zum Eiscafé oder weiter die Leda entlang, bis sie sich mit der Jümme vereinigt, der Blick so weit, weiter als der Horizont, und dann … Mein Gott, Friesland ist doch schön.
„Was murmelst du da?“
Bonnie schaut mich fragend an. Peinlich, peinlich, ich fange jetzt schon an, laut vor mich hin zu denken.
Aber Bonnie schaut mich nicht einfach fragend an. Wenn sie es könnte, würde sie jetzt den Lenker um meine Schultern legen. Sie weiß: Ich bin nicht immer mit ihr das Donautal herunter gefahren. Es gab eine Zeit , in der ich mit der Suzuki oder der Yamaha hoch nach Ostfriesland gebrummt war, geradeaus, bis in den Trance eines rauschenden Fahrtwindes, der mir so viel zu erzählen hatte, dass mir die Augen glänzten.
Oder nach Süden in die Wildeshauser Geest, an den Spargelreihen vorbei, durch das leuchtende Gelb der Rapsfelder in leichten Schwüngen bis zur Engelsmanns Bäke gleich neben dem Visbeker Bräutigam, wo meine hochbetagte Schwiegermutter bei Butterkuchen und Kaffee in eine angeregte Unterhaltung mit einem hochbetagten Herren aus Barnstorf vertieft war. „Ut Barnstorf? Min lewe Jung, dascha ne Öberraschung. De Vadder von een von min Unkels is ok ut Barnstorf.“
„Na, Mutter“ sagte Elke, meine Frau, nachdem der ältere Herr von seiner Enkelin abgeholt worden war, „das war doch schön, mal wieder Platt zu sprechen.“
„Ich, platt? Das müsst ich aber wissen. Nee nee, das bildest du dir jetzt aber ein.“.
„Komm, wir fahren nach Hause“, sagt Bonnie, die im fernen Hinckley zur Welt kam, und wir rödeln in leichter Melancholie am Ufer des Sees heim. Sie richtet sich unter dem Carport für die Nacht ein, ich gehe ins Haus.
Aus dem Keller tönt es: „Wie war die Tour? Schön? Nicht zu kalt? Ich habe mal die Gefriertruhe geordnet. Da liegt noch ein Spargelrest in der Truhe. Der muss weg. In zwei Wochen gibt es den ersten frischen Spargel. Wo sind denn die Rehmedaillons?“
Na, wo sind sie denn. Die habe ich heute Morgen in den Kühlschrank gelegt, damit sie in Ruhe auftauen können.
„Oh“, sagt sie, „wie klug du bist.“
Nun, das ist für mich nichts Neues.
Ich pelle mich aus den 10 Kilo Motorradkleidung, hänge alles ordentlich über die Bügel – es gibt Bereiche, da kann ich sehr ordentlich sein – und konzentriere mich auf den Spargel.
Biken und Kochen, was gibt es Schöneres.
Und der Spargel ist etwas besonders Schönes.
Der sportliche Koch schält den Spargel, aber es gibt auch Zeiten, wo das Schälen an den Nerven zehrt, oder wo es einfach nicht möglich ist, und das ist immerhin in 9 von 12 Monaten der Fall.
Meine Schwiegermutter vom Rande der Wildeshauser Geest, einer traditionsreichen Spargelgegend mit strohgedeckten Ausflugslokalen, in denen im Winter die Pinkelwurst im Kohl dampft und wo im späten Frühjahr der Spargel zusammen mit üppigen Lagen von Ammerländer Schinken die gehobelten Tische zum Biegen bringt, also meine Schwiegermutter versorgte uns mit gefrostetem Spargel.
Im Winter oder im Frühling die Wildsau in den Ofen oder das Hirschsteak in die Pfanne und dazu mal keine grünen Klöße mit Pilzen oder Preiselbeeren und Spätzle, sondern Spargel mit Mandelkroketten, ja, das ist ein Festessen, das in einer halben Stunde auf dem Tisch steht.
Ein Reh kommt dir nicht auf den Teller? Die sanften Rehaugen sind’s, die dir an der Seele nagen? Dann greife zu einem Fisch, der schaut immer starr geradeaus und schreit nicht, zum Beispiel Thunfischsteaks oder Lachsfilets.
Ich rede und rede. Jetzt fangen wir einfach an.
Das ist die Hardware
1 mittelgroße Pfanne
1 große Pfanne mit Deckel und Dämpfeinsatz.
1 Backblech
Backfolie
Das ist die Foodware
200 g Rehmedaillons (Frosterware)
12 mittelgroße Stangen gefrosteten Spargel
6 Streifen Bacon
150 g grob geraspelter Gouda
10 Mandelbällchen (Frosterware oder siehe hier)
Butterfett
Schuss Rotwein
Salz und Pfeffer
Und so gehst du vor:
Den Ofen vorheizen (Ober- und Unterhitze) auf 220 Grad und ein Backblech mit Backpapier auslegen.
Am oberen Rand die Mandelbällchen in einer ordentlichen(!) Doppelreihe anordnen. Sie wollen 20 Minuten in der Hitze rösten.
In der geschlossenen Pfanne den leicht gesalzenen Spargel 5 Minuten dämpfen (Mit der Gabel prüfen, er muss halb gar sein).
Auf einer Arbeitsplatte einen Streifen Bacon schräg auslegen und zwei Spargelstangen so einwickeln, dass die Stangen in der ganzen Breite von dem Bacon umhüllt sind.
Wenn alle Stangen dich aus ihrem Speckmantel erwartungsfroh anschauen, nimmst du das Backblech, in dem die Mandelbällchen jetzt 10 Minuten ausgehalten haben, heraus, platzierst die Spargelrollen auf dem Blech und bestreust sie mit dem Käse.
Nach weiteren 10 Minuten im Ofen will die ganze Ladung ins Freie.
Dort hast du inzwischen die Rehmedaillons in Butterfett von beiden Seiten scharf gebraten. Da die Medaillons von unterschiedlicher Dicke sein werden , als Richtwert: 2 Minuten auf jeder Seite. Mit einem Schuss Rotwein löschen, Flamme aus, Salz und Pfeffer
Jetzt legst du auf die vorgewärmten Teller je drei Spargelrollen als Umrandung, in die Mitte die Medaillons, über die du den Bratensaft verteilt hast, und dazwischen ordnest du die Mandelbällchen ordentlich(!) an.
Und zusammen mit den Tellern stellst du einen badischen Grauburgunder auf den Tisch. Jetzt kann der Frühling kommen.
PS.: Ich bin eine Knoblauchmaus. Die letzten 30 Sekunden schicke ich zwei kleingehackte Knoblauchzehen in die Pfanne, dann, wenn sie gerade braun werden wollen, zischt ihnen der Rotwein um die Ohren.
Lecker 😋