Jakobsmuscheln im Speckmantel

Vorbemerkung
Wem das Erinnerungsgesülze eines älteren (nicht alten!) Herrn auf die Nerven geht, der scrolle gleich bis zu Schluss. Da findet er das Rezept.

Die Bikes
Was machst du, wenn dein Bike in den Winterschlaft gefallen ist?k-16-12-11-winter-2-grau
Du liest ein Buch, du setzt der alten Standuhr ein neues Uhrwerk ein, du denkst darüber nach, was du mal Neues für deine Lieben kochen könntest, denkst an alte Zeiten, damals, als du noch im Strangford Lough in sieben Meter Tiefe über die Jakobsmuscheln hinwegsegeltest, die in Panik ihre Muscheltüren zuknallten.
Aber ja, Jakobsmuscheln! Na, das wär doch was.
Wie ich im Kopf meine Rezepte durchgehe, kommt mir die Bonnie in die Quere. Deren Seele hat lange Arme. Von draußen aus der Kälte baut sie einen parapsychologischen Chat auf.
„Hey“, stößt sie mich an, „denk doch mal was Ordentliches, was Grundsätzliches, etwas, das dein Leben nachhaltig verändert hat.“
„Meine Frau“, sag ich.
„Nun ja, deine Frau.“ Die Antwort passt nicht in Bonnies Konzept. „Vielleicht ist da noch etwas anderes, etwas Starkes, etwas Schnelles, etwas Fauchendes, etwas …“
„Meine Frau kann auch stark sein, schnell sein und fauchen.“ Ich schaue die Bonnie an. „Aber um dir einen Gefallen zu tun: Also gut, ich denke jetzt an die Motorräder, an …“
Bonnie fällt mir in die Gedanken: „Eben, genau, du hast mir doch immer von dieser BSA erzählt, eine meiner Vorfahren, etwas neurotisch, aber hoch interessant. Wie war das denn damals?“
„Das war nicht meine erste.“
„War sie nicht? Erzähl mal.“

ich 1961.jpgAch ja, mein erstes Motorrad. Das ist lange her. Der Führerschein war ein grauer Lappen, auf dem ich melancholisch in die Zukunft schaute.
Das Motorrad wurde gebaut, als man noch mit der Pudelmütze über die Landstraße rollte. Auf dem Soziussitz ließ eine fröhlich lächelnde Frau den Schal fliegen.
k-01 dkw3Die DKW RT 250 S, der Paradiesvogel unter der uniformen Meute der damaligen Motorradproduktion. Nur 1956 wurde dieser Paradiesvogel gebaut. Vier Wochen hatte ich als Schüler in den Sommerferien im Betonwerk dafür gearbeitet, dann konnte ich die 250 DM für ein gebrauchtes Modell auf den Tisch legen.
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„Und warum habt ihr euch getrennt?“ Bonnie schaut mich fragend an.
„Sie hatte sich die Vorderbeine gebrochen. Und eine Reparatur lohnte sich nicht.“
In der Bonnie wallt eine Welle der schwesterlichen Solidarität empor: „Du Ungeheuer. So ein wunderschönes Modell einfach dem Abdecker zum Ausschlachten überlassen, pfui.“
Als ihr ihr versichere, dass mir die Tränen in den Augen gestanden hätten, gibt sie sich verzeihlich.
„Also die nächste, wie?  – Männer!“
Die nächste war eine BMW R 51/3, eine recht betagte Lady, die aber von Chris (O-Ton Chris: „Ich bin ein genügsamer Mensch. Meine Kleine muss mir nur ab und zu das Geld für ein Motorrad rüberschieben.“) mit einem Hoske Büffeltank und verchromten Federbeinen vorn enorm geliftet worden war. Ein echter Hingucker. Der hatte mich 800 DM gekostet.
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Obwohl meine ‚Kleine‘, die so klein gar nicht war, mich fauchend ziemlich zusammenstauchte, weil ich ihr die Größe dieses Teils etwas unklar beschrieben hatte, sind wir mit dem betagten Boxer bis nach Lissabon gebrummt.
04 51-30047 text.jpg„Eh du mich fragst, warum ich die verkauft habe (Übrigens mit einem Gewinn von 200 DM) sag ich dir es gleich: Ich wollte etwas Jüngeres.“
Ich sehe, wie die Bonnie die Fußrasten ballt und komme schnell zur BMW R69/S. Die fuhr der sportliche Herr natürlich nicht mit der Pudel- , sondern mit der Schiebermütze. So elegant kam ich nicht daher.7+8.jpg„Wow!“ Die Bonnie ist beeindruckt. „Das Flaggschiff der BMW-Flotte der 60er Jahre.“06 69 S.jpg
Damit hat sie Recht, wenn auch 1971, als ich sie kaufte, bereits die nächste Generation angelaufen war. Ich liebte die Maschine samt Braut heiß und innig.05 69s end .jpg
Bonnie schaut mich an. Seh ich da richtig? Hängt da eine Träne im Scheinwerfer?
„Ach ja“, seufze ich, ich habe sie alle geliebt, aber dich liebe ich doch am meisten.“
Ein Lächeln lässt sich auf Bonnies Scheinwerfer nieder und wischt die Träne fort.
Mit der 69/S sind wir rund um Frankreich, über die Alpen (die Frau hinten steuerte sanft die Hüften durch die Kurven) und runter bis zur Algarve.
„Und dann?“
„Dann sind wir 1972 nach Irland und ich musste sie 69/S auf den Kontinent zurücklassen.“
„Du armer Kerl.“ Wieder hängt sich eine zarte Träne unten links an den Schweinwerfer. Die gute Bonnie, sie ist doch durch und durch eine romantische englische Lady.
Ja, als dann die Birmingham Small Arms Company, kurz BSA, vor dem Aus stand, holte ich mir in London eine BSA Lightning für 499 britische Pfund, das waren damals etwa 2500 DM.
„Ah, die Lightning“. Bonnie strahlt. „Zwei Zylinder, zwei Vergaser, 650 cc und 50 PS. Die flog mit 100 Meilen pro Stunde über den Motorway.“
Auf der flogen bei 60 Meilen die Füße von den vibrierenden Fußrasten, bei 70 Meilen lockerten sich die Spiegel, und bei 80 Meilen musstest du anhalten und dir die Hose hochziehen.
Das Fahrgestell, absolut himmlisch, der Motor, eine Schlangengrube der Vibrationen.09 bsa0elke-helligkeit.jpg
Mit der Maschine hatten wir in Portugal 1974 den schönsten Motorradunfall unseres Lebens.
„Und dann“?
„Dann blieb die Maschine als Versicherungsfall in Portugal und für mich begann eine motorradlose Zeit.“
Bonnie drückt mir schweigend die Hand und wartet.
Sie wartet nicht umsonst.
1995 Wiedereinstieg. Mit der kleinen Virago, 435 cc und eine Wespentaille, ein Softchopper von elfenhafter Schönheit.k-10 virago 435 .jpg
Ich mache eine Pause. – „Die habe ich auch geliebt.“
„Okay, okay, mach weiter.“
Nach zwei Jahren merkte ich: Sie kann mir nichts mehr bieten – die Bonnie stöhnt auf – und ich holte mir eine Virago 1100. Das war ein echter Hammer. Die wummerte über die Alpenpässe, die zog aus dem Drehzahlkeller hoch, dass dir die Arme langwurden.k-11 virago1-korr.jpg
„Und deine Frau, die mit dem schönen Lächeln …“
„Wen meinst du, ‚die mit dem schönen Lächeln!‘, ich hab nur eine Frau.“
„Also eben die, die steuerte dich wieder an den Hüften gefühlvoll durch die Kurve?“ Der Gedanken scheint es der Bonnie angetan zu haben.
„ Nein, das war ihr jetzt zu gefährlich. Die steigt nun die Berge hoch.“k-12 allalin.JPG
Dann kam die bordeauxrote Suzi, die 1200 Suzuki Bandit. Das war der heißeste Feger von allen. Und als ich den Standardauspuff durch eine Bos-Anlage ersetzt hatte, leuchteten ihr nicht nur die Scheinwerfer heller, sondern sie schoss in weniger als drei Sekunden von 0 auf 100 km/h.
„Wie langweilig!“ Die Fixierung von Männer auf die Beschleunigung hat Bonnie noch nie verstehen können. Und ich muss sagen, auch mir ist diese Faszination abhanden gekommen (mehr oder weniger). Aber die Doubs hinauf zu wuseln oder an der Ardèche auf den Zeltplatz zu brummeln mit breiten vier Zylindern und breiter Brust, das sind schon schöne Erinnerungen.k-13 suzi tarn-auss.jpg
Die zweite Suzi hatte 50 cc mehr im Zylinder und deutlich mehr Kilo auf der Waage. Wir sind nie so recht miteinander glücklich geworden. …k-14 suzi start2011a … Ich wollte wieder etwas Zierliches haben.
„Ich muss schon sagen, du bist mir ein Schlingel“, lächelt die Bonnie, „und wie sah die Zierliche aus?“
Ich zeige ihr ein Bild …k-15 bmw-2
… und sie windet sich in den Holmen. Die BMW F800S ist ihr Ding nicht. Zu gestylt,  zu trendy. Und auch ich konnte mich mit ihr nie so richtig anfreunden.
„Schau dir nur mal dieses Foto an. Da ist doch keine Freude drin.“k-16 bmw 13-1.JPG
„Und dann?“
„Dann kamst du, Bonnie, und dann war alles gut. Du hast von der BSA das himmlische Handling geerbt ohne die wahnsinnigen Vibrationen, du liebst die ruhige Drehzahl, die Frage, ob du in 2,8 oder 2,9 Sek/Min. auf 100 km/h hochschießt, geht dir total am Auspuff vorbei, du liebst den Schwarzwald …k-17 15-11 rast 3.jpg
… du jubelst durch die Alpen, du bist meine große Liebe, nach dir kommt keine mehr.“k-18 min deern-end.jpg
„‘Nach dir kommst keine mehr?‘ Was redest du da?“ Ich schrecke hoch. Habe ich was gesagt?
Meine Frau will es wissen. „Was meinst du damit: Nach dir kommt keine mehr?“
Ich stottere. „Tagträume … ich habe gerade an dich gedacht … ich meine, ich liebe dich.“
„Wie viele sind denn vor mir gekommen?“
Ich wechsle das Thema: „Ich kümmere mich mal um das Abendessen“ und gehe in die Küche. Meine Frau schaut mir fragend hinterher. Durch das Küchenfenster sehe ich die Bonnie im Eismantel. Aber nanu, was ist das? Das Eis, das sie gerade noch in festem Griff hatte, dampft langsam von ihr hoch, die Bonnie lächelt. Der geht es gut. Und mir? Ich weiß nicht. Ich mach mich an die Muscheln und denke so vor mich hin …k-19 izoard

Jakobsmuscheln im Speckmantel für zwei genügsame Personen.

Vorbemerkung zu den Jakobsmuscheln
Da wir nicht alle zum Strangford Lough für‘s Muschelnjagen oder zum Shoppen auf den Fischmarkt in Groningen fahren können, bleibt uns nur die Frosterware. Die ist total OK, will aber langsam aus dem eisigen Schlaf geweckt werden. Also planen!!! Morgens die gewünschte Anzahl aus der Tiefkühltruhe holen und zum Aufwachen in den Kühlschrank legen, damit die Muscheln dann am Abend munter sind.

Das legst du dir bereit
Für das Muschelfleisch brauchst du
– das Fleisch von 8 Jakobsmuscheln.
– 2 oder 4 getrocknete Datteln
– 10 Streifen Bacon
– 1 Zitrone

Für die Gemüsebeilage brauchst du
– 2 mittelgroße Tomaten
– 1 Paprikaschote
– 1 bis 2 Knoblauchzehen
– Rotwein
– Olivenöl
– Oregano
– Salbei
– Thymian
– Salz Pfeffer
Und schließlich brauchst du einen Backofen, das Blech mit Backpapier ausgelegt.

Das Ganze (also ohne Backofen) kommt für die genügsamen Esser mit je einer halben, für die weniger genügsamen Esser mit je einer Laugencroissant auf den Tisch.

Und so gehst du vor:
Eine Stunde vor dem Start rollst du das Muschelfleisch auf Küchenkrepp trocken, beträufelst es mit Zitronensaft und stellst es wieder in den Kühlschrank.

Nach der Stunde heizt du den Ofen auf 190 Grad (Umluft), mahlst etwas Pfeffer über das Fleisch und rollst je eine Muschel und je eine (oder zwei) Dattel(n) in einen Baconstreifen. Die Rollen parkst du auf dem ausgeschlagenen Backblech.
Dann häutest du die Tomaten, halbierst sie, entfernst den Stilansatz und zerteilst sie in nicht zu kleine Stücke.
Die Paprikaschote schneidest du in Streifen, die du noch einmal halbierst.
Die Knoblauchzehen zerlegst du in kleine Krümelwürfel, erhitzt in einer Pfanne das Olivenöl und lässt die Knoblauchwürfel glasig werden, fügst die Paprikateile hinzu, rührst sorgfältig und löscht alles nach einer Minute mit einem Schuss Rotwein.
Nun die Gewürze hinzu. Das braucht jetzt fünf Minuten bei mittlerer Hitze.

Inzwischen hat der Ofen seine geplante Hitze erreicht, also das Blech mit dem Röllchen ab in den Ofen.
Nach fünf Minuten
a) rühst du die Tomatenstücke unter das Paprikagemüse in der Pfanne und gibst dem  Ganzen noch eine Minute.
b) holst du das Blech aus dem Ofen, denn die Röllchen sind jetzt kross und können     zusammen mit der Gemüsesauce und dem Laugenhörnchen serviert werden. Das    Dattelröllchen möchte gerne als letztes Röllchen verspeist werden.

Tipp: Es wäre ein Versuch wert, vor dem Einrollen etwas grob geriebenen Pecorino über das Fleisch und etwas Gouda über die Datteln zu krümeln.

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