
Ach Gott, war das ein Traum: Die BMW 69 S fegt den Grimselpass hoch, segelt brummelnd wieder runter, schwenkt zum Furkapass. Auf 2450 Metern darf sie verschnaufen. Und weil gerade die Sonne untergeht und es schweinekalt ist, lassen wir unser Minizelt in dem Tankboy und ziehen in das (damals) wacklige Hotel. Mein Gott, was für Betten. In den tiefgründigen Matratzen versinken wir kichernd bis über beide Ohren. Uns bleibt nichts anderes übrig, als brav zu schlafen.
Am nächsten Morgen röchelt unsere bayrische Lady unter dem ausgeruhten Tritt auf den Kickstarter. Manno, stöhnt der Vergaser, diese Luft ist ja zum Würgen. Die ist ja so was von unfett.
Okay. Kurzer Blick zur Frau. Ich sitze auf, sie schiebt und schon ist die Welt wieder in Ordnung (Ihre Version lassen wir hier einmal unberücksichtigt).
Runter geht’s in das Wallis, flott über die Röstigrenze nach Martigny, immer an der Rhone entlang. Und dann Marseille.

Marseille – herrje, wie oft sind wir da gewesen. Mit der DKW RT 250 S, mit der BMW 51/3 und der 69 S und auch mit der BSA Lightning. Was uns da immer hinzog? Der alte Hafen mit seinen Pizzerien, die Viertel, nach denen wir fragten „Ou est le quartier oh là là?“, die Calanques und natürlich der Kreisverkehr.
Mann, das ist russisches Roulette hoch drei und der Rond Point du Prado das absolute Highlight.
Wann immer du da einläufst – im Kreisel ist der Bär los und läuft Amok. Jubelnd reißt du kurz den Drehgriff hoch und schießt in das brodelnde Gewühle. Ein Auge nach links, stahlgehärtet – wer zuerst mit dem Auge zuckt, hat verloren – , der Bär schwenkt den Hintern und du bist drin. Ein Auge nach rechts, flink und wieselig, wie wusele ich mich zum Ausgang? Schon siehst du die Lücke. Und ein Auge in die Ewigkeit, dort wo die Götter wohnen, denen du jedes Wochenende den Castrol geschwängerten Weihrauch aus den Kurven in die Unendlichkeit schickst, auf dass sie nicht aus der kurbelschwellenschwingenden Hand einen Ölfleck mitten in deine optimale Schräglage auf den Asphalt beamen.
Die Götter sind gnädig und schon schießt du aus dem Whirlpool heraus in die Avenue du Prado und brummst Richtung La Cannebière, schmunzelnd wie eine Katze, die sich die süße Sahne von dem Schnäuzchen leckt.
Anschließend ab zu Mammouth, der Urzelle des ultimativen Kaufrausches. Da kriegst du alles, bloß kein Motorrad, aber einen Coq au Vin aus dem Superkübel.
Den Coq eingetütet, kurz ein Baguette und eine Flasche Vin Rouge Ordinaire gegriffen und jubelnd zurück in den Kreisel.
Heute fahre ich deswegen nicht mehr nach Marseille, ich weiß auch nicht, ob es „meinen“ Mammouth von 1972 noch gibt. Heute bastele ich mir den Coq selber. Und das Tolle an dem Vogel: Er ist enorm geduldig. Kommt deine ganze Clique und dir stehen die Bratwurst oder Hackepeterplatte bis zum Hals, dann sage ich nur: Coq. Der wartet geduldig in seinem Topf, bis alle endlich eingelaufen sind. Küsschen hier, Schulterklopfen da, und dann hat der Coq seinen großen Auftritt.
Was du dafür so brauchst für vier Personen:
Du brauchst vor allem einen super Topf mit einem super Boden, sonst kannst du die Pilze kurz vor dem Servieren vom Boden mit deinem fettesten Schraubenzieher abspachteln.
Und du gehst vor allem mit dem klassischen Rezept locker um und greifst dir
- Butterfett
- 0,7 l Rotwein, 0,6 für das Huhn und ein kleines Glas für den Koch. Lass den billigen Kochwein mal stehen und hol dir einen ordentlichen Trockenen aus dem Keller. Der Schmerz wird die hundertfach vergolten durch ein glücklich trunkenes Hähnchen.
- 1 pralles Hähnchen, das friedlich und stressfrei für dich in den Tod gegangen ist. Wenn du es eilig hast: Vier pralle Schenkel tun’s auch.
- 5 mittelgroße Knoblauchzehen, aber keine chinesischen Gummiknollen
- 4 kleine Zwiebeln, noch besser 8 Schalotten
- 150 g gestreifter Speck
- 300g Champignons
- Salz
- Pfeffer
- 2 EL Mehl
- Und dazu
2 Baguettes
2 Flaschen Rotwein
Und jetzt geht’s an die Arbeit.
1. Das Hähnchen wird locker in vier Teile zerteilt. Die Teile schmeißt du in heißes Butterfett, so dass sie erschrocken zischen. Brat alles gut an, mach dir aber nicht zu viel Stress. Die Hähnchenformen sind nicht gerade anbratfreundlich. Wenn du das Hähnchen von allen Seiten echt heiß gemacht hast, parkst du es in einer sicheren Ecke.
2. Jetzt die Zwiebeln hacken, den Speck würfeln, den Knoblauch miniwürfeln und die Pilze feinblättrig zerlegen.
Alles bis auf die Pilze in der obigen Reihenfolge andünsten, dann die Pilze rein , Pfeffer, Salz und den Deckel drauf. Gib dem Ganzen drei Minuten, sich aneinander zu gewöhnen, kurz umrühren und schon sausen die Hähnchenteile in die erwartungsvolle Menge. Ein Schuss Wein, Riesenjubel, kurzer Griff zum Deckel und alles bleibt für fünf selige Minuten im Dunkeln allein.
3. In diesen fünf Minuten heizt du eine Pfanne an und gibst in sie das Mehl. Das fordert deine ganze Aufmerksamkeit und will von dir so lange mit einem mehlerprobten Holzlöffel gerührt werden, bis es leicht braun wird. Schnell dir Pfanne vom Herd reißen und mit Wein vorsichtig pampig auffüllen. Hör bloß nicht auf zu rühren. Du weißt: Wenn es drauf ankommt, hat ein guter Koch drei Hände.
4. Dann nimmst du den Hähnchentopf von der Flamme, rührst ein halbes Glas Wein ein und lässt alles kurz durchkochen. Und nun die Mehlpampe auf das Hähnchen gekippt, mit dem restlichen Wein aufgefüllt, noch einmal kräftig umgerührt und schon köchelt alles bei kleiner Hitze 35 Minuten zufrieden vor sich hin.
Gerät dir dein trunkenes Hahn etwas zu dick: No problem, da ist noch Wein in der Flasche. Wenn nicht, dann musst du wohl noch mal hinab in den Keller.
Gerät dir der Coq etwas dünn, auch no problem, dann korrigierst du mit süßem Paprikapulver. Das ist zwar total unorthodox, kommt aber enorm gut – vor allem, wenn du einen halben TL Rosenpaprika mit hineinschmuggelst. Dann wird dein pralles Hähnchen ein echt scharfer Hahn.
Diese köstlicher Panscherei bringst du mit einem deftigen Cote du Rhone und einem Korb frischer Baguettes auf den Tisch, und ein Abend voller Erinnerungen und Pläne ist euch sicher.
Epilog: Du hast heute keinen Bock auf deine Clique, aber auf den Coq (und auf deine flotte Bikerin)? Immer noch no problem: Souverän halbierst du die Zutaten, statt des Hähnchens holst du dir zwei stramme Hähnchenschenkel und statt des Cote du Rhone einen portugiesischen Mateus Rosé. Der kommt leicht prickeln daher. Du wirst dich wundern, was da alles möglich ist.
Der Helm im Hintergrund des Fotos kommt mir irgendwie bekannt vor… Kann es sein, dass es den rund 10-15 Jahre später immer noch gab? Habe ich den nicht auch schon mal auf dem Kopf gehabt? Schöne Grüße aus PL!