Pesce Bollito Con Maionnese (Teil I)
Belfast 1973. Im Hinterhof wird heute mal nicht geschossen, der Pub an der Ecke steht noch und der Wetterbericht ist erfreulich. Ein freundlicher Ostwind hat die Tiefs über den großen Teich geblasen.
Der Mini freut sich, weiß er doch, gleich darf her Frauchen und Herrchen an die Westküste karren mitsamt einer sperrigen Taucherausrüstung.
Die BSA Lightning freut sich nicht. Den Mini konnte sie noch nie leiden. Vier Räder, wozu braucht man denn so was! Und zwei Taucher mit Flaschen und Flossen im Sattel, das hat doch was.
Für mich hat das nichts. Also ziehe ich einen Ölfilter aus der Tasche – die Beeza lächelt – , reiße einen Kanister Gastrol GTX auf – die Beeza strahlt – und verpasse ihr einen Ölwechsel. Eng kuschelt sie sich am mich, und wenn sie gekonnt hätte, hätte sie zum Abschied ein buntes Taschentuch geschwenkt.
Aber der Mini hat nun mal seinen großen Tag und quer fegt er durch Irland bis zum County Clare und dann nach Kilkee. Und am nächsten Morgen stehen wir alle an der Küste.
25 Kilo Gepäck auf dem Rücken und über die Klippen getänzelt hin zu einer freundlichen See, platt gebügelt vom Ostwind. Der Mini zeigt dem steifen Ostwind mit einem wohligen Trotz seinen wohlgeformten Hintern.
Kurz in die Brille gespuckt, ausgespült, Griff nach allen Seiten, damit dir auch nichts um die Ohren fliegt – und wuusch, schon hält dich die See in ihrem Armen, lässt dich mit einem Lächeln in ihre Tiefen abgleiten und friedlich treibst du an der Steilwand entlang. Ziel: Doctor’s Rock.
Das Sonnenlicht zieht schrägt durch den grünblauen Atlantik. Zufrieden mit dir und der Welt schwebst du träumend um die Ecke und da steht er vor dir, der John Dory, der Heringskönig alias Peterfisch oder auch Zeus faber, die Rückenflosse hoch gegen die Sonne gerichtet, die Bauchflosse nach unten, als suche sie eine ordentliche Erdung. Rechts und links die beiden Fingerabdrücke des heiligen Petrus, der ihn aus dem See von Galiläa mit zwei Fingern gezogen hatte, um aus seinem Maul ein paar Goldstücke zu ziehen – für einen räuberischen Finanzbeamten, so etwas soll es ja geben.
Das Kussmaul nach vorn ausgefahren. Gleich kriegst du ihn, den feuchten Kuss, mitten auf die Taucherbrille.
Kriegst du aber nicht. Der Ausbund an liebenswerte Hässlichkeit starrt dich nur verwundert an mit seinen großen Augen.
Aber du denkst nur an das eine und zerlegst in Gedanken den drolligen Kerl in den massigen Kopf und das mächtiges Grätengestell, – das wird eine prima Fischsuppe, funkt dein Gehirn – und in die festen Seitenfilets. Die schwenken wir in Butter, flüstert erregt deine Zunge. Aber wieso denn. Die lassen wir in Wein ziehen, hechelt der Leber. Aber nein, knurrt der Magen, die legen wir in Aspik mit Mayonnaise.
Der drollige Kerl ist jedoch nicht dumm – trotz seines schrillen Aussehens (ein Plattfisch, der aufrecht schwimmt, da lacht doch die Flunder) – und Telepathie ist sein Ding. Er kann in dir lesen wie in einem Buch. Und was er liest, gefällt ihm gar nicht. Angeekelt verzieht er sein Kussmaul (Taucher sind doch das Letzte – vor allem, wenn sie nach Castrol GTX stinken!) und wedelt ab in die Tiefe.
Nun hält dich nichts mehr. Raus aus dem Wasser, rausgepellt aus dem Taucheranzug, Die erstaunte Frau in den Wagen gefaltet und zurück nach Belfast gefegt. Eine Nacht unruhig geträumt. (Diese grenzenlose Melancholie in den runden Augen des John Dory, wer kann das ertragen!). Am nächsten Morgen mit der Beeza zum St. George’s Market, zwei der kleinen Seeungeheuer in den Tankboy geschmissen und dann ab in die Küche.
Das waren noch Zeiten, Leute. Umzug 1972 Hamburg-Belfast im kleinen Mini. Heut ist ein MAN-Möbelwagen fällig, gestapelt bis unter die Decke. Und was der sich angefressen hat, das will auch wieder raus. Kurz und einfältig – wie der John Dory zu einem pesco bollito con maionnaise wird, kann ich erst nächste Woche in das key board hauen.
Pesce Bollito Con Maionese (Teil II)
Pesce Bolito Con Maionese – Kochfisch mit Mayo. Was für ein grandioses Abblenkungsmanöver venetianischer Köche, nur ersonnen, um Nichtvenetianer vorbeizulotsen an dieses kulinarischen Köstlichkeit, die sich hinter dem Understatement verbirgt: Ein aquatischer Ausbund an Hässlichkeit, aber von kulinarischer Wucht, den die Engländer liebevoll John Dory nennen und für den heute leider viel Geld gezahlt werden muss. Aber Trost gibt es auch hier: Ein festes Stück Lachs tut es auch.
Aber erst einmal brauchst du eine Court Bouillon, die kannst du auch Fischsud nennen. Es ist nichts weiter als eine Flüssigkeit zum Kochen von Fisch. Die einfachste Variante: Salzwasser. Die Rache eines Fisches, der in dieser Lauge ein zweites Mal umgebracht wird, ist schrecklich. Sein delikates Aroma, die zarte Anmut seines Fleisches verwandelt er voller Zorn in stinkigen, breiigen Zellstoff, und ganze Armeen germanischer Mütter diesseits und jenseits des Kanals haben mit diesem Kochfisch ihren germanischen Kindern eine panische Angst vor Fisch eingeimpft. Nicht umsonst lachten sich die Franzosen über den „poisson à l’anglaise“ die Seele aus dem Hals.
Daher vergiss nie: Wenn ein Fisch auf seine letzte Reise geht, dann will er noch einmal etwas erleben. Erfüll ihm diesen Wunsch, damit er sich dir dann umso fröhlicher in seiner ganzen Pracht hingeben wird.
Was ist nun das Beste? Den Fisch kannst du ja nicht mehr fragen. Dem hast du schon Kopf und Schwanz geraubt.
Daher mein Tipp: Stelle eine Verbindung her von dir zu ihm. Du weißt: Ein Fisch will schwimmen und du weißt, dein Lieblingswein ist ein trockener Sylvaner vom Main. Okay, das ist doch schon mal ein Ansatz, der trägt. Und wenn du ihn weiter denkst, kommst du vielleicht zu einem ebenso tragfähigen Ergebnis und stellst bereit für die
Court Bouillon
- ¼ Liter Wasser
- ¼ Liter trockenen Wein (Es muss nicht dein Lieblingssylvaner sein)
- 1 Karotte, der Länge nach halbiert
- 1 kleine Zwiebel in Ringe geschnitten
- 6 schwarze Pfefferkörner, denen du mit dem Hammer eins auf die Köpfe gegeben hast.
- Salz.
Das gibst du alles ohne das Salz in einen Topf, bringst es zum Kochen und lässt es dann 30 Minuten auf kleiner Flamme köcheln. Nun alles durch ein Sieb geben, mit Salz abschmecken und abkühlen lassen, denn der John Dory liebt es kalt.
Der Fisch
- Du besorgst dir zwei John Dorys zu je 500g
- 125 Mayonnaise (aber eine ordentliche)
- 1 gehäuften TL weiße Gelantine
- 3 TL heißes Wasser
- 1 TL Dill
Und nun holst du dir die kalte Court Bouillon, legst die ausgenommenen Fische hinein, dass sie gerade mit Flüssigkeit bedeckt sind und bringst die Brühe auf mittlerer Flamme zum kochen, lässt alles kurz aufwellen und nimmst es vom Feuer, so dass der Fisch in Ruhe wieder abkühlen kann.
Danach sezierst du vorsichtig die Filetstücke heraus, häutest sie, verteilst sie in vier dekorative Schüsselchen zum Abkühlen.
ODER – das ziehe ich vor – du filetierst die Fische vor dem Zubereiten, legst die vier Filetstücke auf die eine Seite und den Kopf und die Rückengräte auf die andere.
Dann kochst du die Filets vorsichtig wie oben. Wenn der Fisch abgekühlt ist, beraubst du ihn seiner Haut und legst je ein Stück in eine dekorative und passende Schüssel.
Jetzt gibst du die Hälfte der Mayonnaise zusammen mit dem Dill in eine Schüssel. In einer anderen Schüssel löst du Gelatine mit dem heißen Wasser auf und lässt sie abkühlen. Wenn sie die glibberige Konsistenz von Eiweiß erreicht hat, vermischst du sie mit der Mayonnaise und gibst das Ganze über den Fisch. Den stellst du kalt.
Wenn er seinen großen Auftritt bekommt, schmücke ihn mit etwas Petersilie oder mit einigen Kapern und stelle den Rest der Mayonnaise in die Mitte.
Epilog
Der John Dory hat dir seinen mächtigen Kopf und seine mächtige Rückengräte hinterlassen. Das ist sehr großzügig von ihm, und du solltest es ihm danken mit einer Fischbrühe, die eine grandiose Grundlage für die leckersten Fischsuppen werden wird. Dazu brauchst du
- ½ Liter Wasser
- ½ Liter trockenen Wein (es muss nicht dein Lieblingssylvaner sein
- (ein trockener Apfelwein oder Cider ist auch nicht schlecht)
- 1 TL weißen Weinessig
- 2 Karotten, der Länge nach halbiert
- 2 schmale Stangen Porree klein geschnitten
- 2 Schalotten in Scheiben geschnitten
- (zwei milde Zwiebeln für Porree und Schalotten werden auch akzeptiert)
- 16 Pfefferkörner, die du mit dem Hammer platt gemacht hast
- 1 TL Thymian
- 1 TL Rosmarin
- 3 Lorbeerblätter.
- ½ TL Salz
Wenn dir nichts anderes einfällt, dann kippst du alles mit den Fischresten zusammen und bringst es zum Kochen. Wenn die Fischreste nicht bedeckt sind, füge Wasser hinzu und lass es auf kleiner Flamme 30 Minuten köcheln.
Nur wenig ist furchtbarer als eine Fischsuppe, die nach Fischleim schmeckt. Also legst du ein Sieb mit Filterpapier aus und filterst die Flüssigkeit, lässt du sie abkühlen und frostest sie ein.
Und wenn dir nach Fischsuppe ist, taust du deinen Fischsud auf, garst darin Gemüseteile nach Wahl und Kartoffelstücke – wenn du gut drauf bist, leistest du dir zwei Fäden Safran – , und am Schluss lässt du einige Fischstücke (z.B. Schellfisch) mitziehen – sagenhaft. Auf den Tisch Reibekäse und Röstbrot und einen leichten Weißen gestellt – und schon geht die Sonne auf.
Ein Kommentar zu „Pesce Bollito Con Maionnese (Teile I+II)“