A
Ihr tobt euch irgendwo in der Serra da Estrella aus, irgendwo zwischen Guarda und Castello Branco.
Du jubelst mit deiner Ducati Monster und der restlichen Meute durch die bizarre Bergwelt. Ein lang gezogener Schwung nach links, eine weite S-Kurve, eine Spitzkehre nach rechts, im zweiten Gang hineinfallen, auf dem Scheitelpunkt das Gas langsam ankitzeln und dann voll die Sporen, den dritten reingeknallt und – broom – fegt dein Monster Richtung Seligkeit und deine Meute hinterher.
Und oben auf dem Pass? Synchrone Vollbremsung. Panik. Wenn Männer Hunger kriegen, dann sofort und ohne Kompromisse. Alle reißen ihre Schnäbel auf wie ein Satz unreifer Spatzen und schon rollte es über die Berge der Serra: „Hunger!!!“.
Okay, da wir haben ein Problem. Kurz auf die Karte geschaut, kurz im Langzeitgedächtnis gestöbert – das funktioniert ja Gott sei Dank noch prächtig (meistens)– und schon macht es ‚Klick’. Penhas de Saude, gleich hinter Covilha, Joanas cervejaria..
Klare und knappe Anweisung, deinem Satz junger Spatzen fallen die Schnäbel zu. Ein kurzes, aber ordentliches Wumm Wumm, Röhr, Röhr lässt die Berge erzittern, und die ganze Meute fegt den Berg herunter und besetzt die Bar. Alles rennet, rettet, flüchtet – nur Joana nicht. Joana verharrt amüsiert an der bifanas Pfanne. Sie kennt zwar nicht alles, aber Männer kennt sie gut– und sie liebt sie alle. Und hungrige Männer ganz besonders. Die beleben das Geschäft und auch sonst so einiges.
Und dann verteilt sie ihre Schätze: Bifanas mit paozinhos alias carcasas. (Das sind nicht einfach Brötchen, Leute, das sind Geschmacksträger der Sonderklasse, da ist ein Baguette ein Schlag Graupen gegen.)
- Für Kalle, der seinen Blick nicht von Joanas Bauchnabel wegreißen kann, schwebt das bifana heran auf einem halben Brötchen mit Spiegelei, um 180 Grad gedreht, denn Kalle ist bekennender Linkshänder.
- Für Joe, ganz fasziniert von Joanas unsymmetrisch schwingendem Busen, wird es mit einem
zärtlichen Blick in ein Brötchen gefaltet – aber mit einer Ladung Zwiebeln, die rechts und links herunterhängen wie die Barten von Davy Jones.
- Und Babs bekommt einen ordentlichen Fetzen arrangiert in Pilzen mit Weiswein. Während Babs ihre Zähne in das zarte Fleisch senkt, senkt sich auch eine Frage in ihre zarte Seele: Was wäre denn schöner, die Perlenkränze ihrer Zähne in diesen trunkenen Fleischfetzen zu versenken oder in Joanas schmalem Nacken?
- Und du, der du versonnen dies alles in das keyboard haust, was geht dir durch den Kopf? Da bist du jetzt mal ganz still. Wer weiß, wer diese Zeilen noch so lesen wird.
B
Du hast mit deinem girl das Ziel erreicht: Camping des Tunnels, direkt am Ufer der Ardéche. Die letzten zwei Tage seid ihr auf dem Bock gesessen, runter die traumhafte Doubs, in Saint-Hippolyte eine sagenhafte terrine de forestière. gebunkert (darüber irgendwann mehr), auf dem kommunalen Campingplatz in Saint Claude genächtigt, weiter über St. Étienne (da möchte ich nicht begraben sein) und Saint Agrève nach Aubenas, von hier die Ardéche raufgeschlängelt, in Vallon Pont d’Arc eine Flasche Weiswein, eine Knoblauchzwiebel, ein Baguette und zwei Schweineschnitzel in den Tankboy gestopft, am Ufer der Ardèche das Minizelt hochgezogen, den Zerfall des Schweinefleisch in einem Bad von Knoblauch und Weiswein gestoppt und dann ab in das Zelt.
Hier ist es zwar intim, aber doch sehr eng und der Lärmschutz tendiert gegen Null. Doch schon ein Mitglied der deutschen Zwei-Mann-Klassik wusste es:
Raum ist in der kleinsten Hütte
für ein glücklich liebend Paar.
Dann ein prickelndes Bad in der sprudelnden Ardèche – Leute, das Leben hat mehr zu bieten als eine solide Altersversicherung. Und schon haust du das Fleisch in die kleine Camping Pfanne, und wenn der Weiswein in das knoblauchgeschwängerte Olivenöl zischt, dann verzaubert ein Duft die Bannmeile um das Zelt, dass alle Leute fasziniert ihre Nase auf Riechstation schicken, und ihr freut euch wie die Wasseramseln, die da am späten Nachmittag mit lang gezogenen Hälsen unter Wasser die leckeren Köcherfliegenlarven durch den Kies jagen.
Und damit kommen wir zu den bifinas und pregos. Eigentlich stammen erstere vom Schwein und zweitere vom Rind. Aber das wissen nicht einmal die Portugiesen mehr so genau. Und daher schreiten wir gleich großzügig zur Tat. Wer sich an das Carne de Porco à Alentejana erinnert, ist fein raus.
Der legt sich jetzt ein sehr scharfes Messer bereit und pro Person für
Variante I
ein Schweinekotelett (Knochen gleich entsorgen) oder ein entsprechendes T-Bone-Steak oder Roastbeef, oder Filet. (immer 1 cm Sollstärke)
Variante II
150 g Rinder- oder Schweinefilet in 3-5mm dicke Scheiben geschnitten und zwar quer und auf keinen Fall längs zur Fleischfaser. Das sagt dir nichts? Mail mich an.
Und was machst du damit?
Du machst erst einmal die Augen zu und versuchst dich zu erinnern. Was raunen da deine Kochgene? Raunen sie Olivenöl? Sauber. Fünf Punkte auf dein Antialzikonto.
Aber das war doch wohl noch nicht alles. Wie? Was? Da ist nur dunkle Nacht in den Korridoren deiner Ohren? Da rauscht es und schmatzt es, da wetzt eine Fledermaus ihre spitzigen Zähne, da brauchst du – was? Aber klar, Knoblauch.
OK, mit Einhilfe. Drei Punkte immerhin.
.
Aber schon die alten Griechen wussten es: Zwei heißt Offenheit, drei heißt Definition. Also warten wir auf das Dritte.
Wein? Aber hallo, du bist ja ein Phänomen. Sagenhaft. – Was? Und auch noch Lorbeer? Ich glaub’s kaum. Wenn du nicht so eine grundehrliche Haut wärst, würde ich sagen, du schummelst schon wieder.
Und hier die versammelte Mannschaft für die Marinade
1 Knoblauchzehe
1 TL Paprikapulver
1/3 Tasse Olivenöl
1 Lorbeerblatt
1 Gewürznelke
Schweineschmalz zum Braten
Und die Betriebsanleitung kennst du schon:
Du kippst das Olivenöl in eine mittelgroße Schüssel, zerquetscht die Knoblauchzehe mit der Presse und rührst sie zusammen mit dem Paprikapulver zu einer wunderschönen öligen Pampe.
Dann wirfst du dein Fleisch (ich meine das da auf dem Schneidebrett) in die Pampe und vermischst alles genussvoll. Deine Hände sind glücklich und das Schweinfleisch quiekt vor Vergnügen. Diskret lässt du es eine halbe Stunde im Rausch der Sinne allein.
Nun siedelst du diese sinnliche Pampe in eine engere Schüssel um. Das Scheinfleisch wird es dir kuschelnd danken, und du verbraucht weniger von dem Weißwein, mit dem du jetzt alles bedeckst. Am Schluss noch die Gewürznelke und das Lorbeerblatt hinein geschoben und dann kann alles drei Stunden ruhen. Wenn es sechs werden, beklagt sich auch niemand, schon gar nicht das selige Rinder- oder Schweinefleisch.
Was machen wir nun mit dem Fleisch? Wie du schon gesehen hast, hängt das von der Situation ab.
a) Du hast deine Maschine samt deinem girl an der Ardèche geparkt. Beide sind glücklich. Das bike, weil es endlich mal die Reifen abkühlen kann, dein girl, weil hier die Duschen ganz passabel sind.
Und du, weil du mal wieder kochen darfst. Deshalb nimmst du das Fleisch entsprechend Variante I aus der Marinade, trocknest es mit einer achtel Rolle Klopapier und haust es in die Pfanne, mal rechts, mal links je drei Minuten.
Kurz vor Ende der Bratzeit krümelst du noch eine klein gehackte Knoblauchzehe in dass Fett. Wenn die Hacketeilchen glasig werden, alles salzen und mit einem Schuss Weiswein löschen. Gaskocher aus, Baguette in die Hand und mit Messer und Gabel oder mit Taschenmesser und Schraubenzieher (man glaubt ja nicht, in was für Situationen das Leben uns manchmal spült) in die Gemeinschaftspfanne gelangt.
Und zum Nachtisch haben wir noch einen wärmeresistenten Ziegenkäse geparkt mit einer Handvoll Oliven – da hören sogar die Engel im Himmel auf zu singen, weil ihnen ein teuflischer Speichelfluss die Stimmbänder mariniert.
- PS: Und hier die Kurzversion für die Hardcoretourer, die im Abendlicht herein- und am nächsten Morgen mit ganz kleinen Augen herausbrummeln: Sie werfen das unmarinierte Fleisch in das heiße Öl, dünsten am Schluss die gehackten Knoblauchkrümel, salzen und löschen mit Weis- oder Rotwein. Das Weißbrot ist ganz heiß auf diese Tunke.
b) Du bist experimentierfreudig und stehst am heimischen Herd und willst deine eigenen Wege gehen. You are welcome.
Gehe vor wie unter a) und schau dann noch mal bei Joana vorbei. Ey, nein, nicht so. Ich meine, schau dir ihre bifanas an.
Du nimmst z.B. das Fleisch vor dem Löschen aus der Pfanne und stellst es warm. Jetzt dünstest du eine Zwiebel – in Streifen geschnitten – in dem Fett und löschst mit Weiswein, wobei du den Pfannenboden mit einem Holz- oder Plastikspachtel abkratzt. und salzst. Dann packst du alles in ein deftiges Brötchen.
c) Und damit kommen wir zu Variante II, der Edelvariante, die wir gleich um eine Dimension erweitern.
Du bist zu einem Racletteabend eingeladen und weißt schon: Wieder Käse auf Kochschinken und Mais bis zum Abwinken.
Da besinnst du dich auf Variante II und marinierst das Fleisch wie bekannt. Wenn du Mut hast, holst du dir noch 150 g Schweineleber*, säbelst sie in dünne Scheiben – dafür brauchst du ein rasiermesserscharfes Messer – und marinierst sie auch, aber separat in Rotwein mit grob gemahlenem schwarzen Pfeffer, zerquetschtem Knoblauch und einem Lorbeerblatt. Dann schmeißt du alles in ein Sieb und tütest deinen Schatz in zwei Gefrierbeutel, verstaust das Ganze unter der Sitzbank deiner froschgrünen Kawasaki und rollst zum Racletteabend.
Hier klappst du cool deine Sitzbank hoch, holst die Plastiktüten mit den Bifanafilets und den Leberfetzchen heraus, knallst den Inhalt auf die obere Raclettefläche, alles staunt, greift misstrauisch zu – und ist verzaubert.
Der Urprego ist ein ganz besonderes Ding. Als wahrer homo globalis weißt du: Barcelona wird gelispelt und der prego wird genagelt, weil: pregar heißt nageln. Weißt du nicht? Sauber, du bist eben doch eine ehrliche Haut und hast wieder was fürs Leben gelernt, denn in der Tat wird der Urprego von ca 1 cm Sollstärke nicht in Wein mariniert, sondern mit Knoblauchscheiben belegt, die mit dem gezackten Fleischklopfer brutal in das hilflose Fleisch gehämmert bzw. genagelt werden. Daran muss ich zarte Seele noch arbeiten.
* Damit lernst du auch schon mal den Grundansatz für die Portugiesische Leber kennen, die Iscas à portuguesa (die kommt noch).