Bevor wir weitergrillen ein kurzer Stopp, denn ich habe was aus dem Urlaub mitgebracht: Lachsröllchen aus Xlendi.
Frage:Was ist Xlendi?
Antwort: Ein Traum auf Gozo zwischen Malta und Sizilien. Schwimmen, tauchen, englisches Frühstück und italienische Küche, schnorcheln, in La Grotta die Nacht durchhotten (sagt man das noch?), morgens in der Kneipe an der Pjazza San Frangisk in Victoria ein paar pastizzi eintüten, vor einem phantasievollen Truck ins Träumen geraten – und dann die See!
Mal ist sie glatt wie Manuelas Wangen, mal türmt sie sich mächtig auf wie Marthas wogender Busen nach dem dritten Joint.
Heute wogt der Busen, denn: In der Nacht fegte ein kräftiger Südwest über die kleine Insel hinweg. Am Riff krachten die Brecher. Die Rifffische hingen in den Felsspalten und kotzten sich die Seelen aus den Kiemen.
Am nächsten Morgen: Stille in der Luft, der zahme Wind wuselt betulich durch die Tamarisken, aber eine schwere Dünung bricht am Riff und verwandelt die malerische Bucht in eine Hexenküche. Was für ein Anblick!
Die saussages mit dem Spiegelei runtergeschaufelt, in einem Akt der Anarchie in den Zähnen die Wurstreste hängen gelassen (die wird gleich die See rausspülen), dafür die Schwimmbrille ins Gesicht und raus in die tobende See. Vorbei an den Feuerquallen, die schon beim letzten Schnorcheln deine Oberarme massakriert haben.
Ziel: Das Riff, die mächtige Dünung, die sich hoch aufbäumt und dann krachend in sich zusammenbricht. Da willst du hin. Da willst du in den Wellen toben.
Warum willst du da toben? Weil das Toben einfach Spaß macht – und weil am Ufer eine bewundernde Frau steht. Der musst du etwas bieten, wenn schon kein Fell vom Löwen, dann doch ein Sprung in die tobende Gischt.
In knapper, aber sicherer Entfernung hinter dem Riff wartest du auf den passenden Brecher, schwimmst auf ihn los, lässt dich empor tragen, und im richtigen Moment stemmst du dich hoch aus dem Wasser.
Für einen kurzen Moment schwebst du über der See und dann wuusch! ist der Brecher unter dir hinweggeschmiert. Gott sei Dank hast du den nächsten übersehen, und der haut dir sein ganzes Gewicht auf den Kopf, reißt dich herum, du klappst zusammen in die fötale Position und lässt sich in ihrem Schutz in die Tiefe wirbeln.
Ich sage nur ‚Schaumbad’. Um dich herum prickelt und schäumt das Wasser, wird dunkler, du beginnst, dir die ersten Sorgen zu machen. Doch schon gibt der Sog dich frei und du fliegst nach oben. Tief Luft in die Lungen gerissen, und dann lachst du dir die Freude aus dem Hals. Und schon beginnt das Spiel von Neuem.
Am Ufer schaut sich die Frau das Schauspiel an. Sie kennt das und weiß: nach einer Stunde kommt er glücklich aus dem Wasser gepustet, äußert einige Laute der Freude, springt unter die Dusche und dann ins Auto, braust beschwingt zum Bugeja Fischladen, wo er einen Schlag Garnelen bunkert, um dann am Abend, wenn die untergehende Sonne das Riff in ein weiches Licht taucht, das ganze Abenteuer noch einmal bei Garnelen mit einer Sauce Tartare, einer Flasche Verdala Rosé und leuchtenden Augen aufleben zu lassen.
Doch noch sind wir am Riff. Während die Frau das Schauspiel leicht amüsiert, aber auch mit wohligem Vergnügen betrachtet (Hast du schon mal eine Katze auf dem Fenstersims beobachtet, ihr gelangweilt abwesendes Lächeln, während ihre Schwanzspitze nervös und erregt zugleich leise nach rechts und links zuckt, weil sich zu ihren Füßen eine Meute Kater unter schrecklichen Geräuschen in Szene setzt? Hast du? Dann weiß du, was ich meine.), während also dies in der Frau so abläuft, nähert sich ein amerikanisches Ehepaar mittleren Alters.
- He: „What is he doing out there, is he training for the next triathlon? My god, he is jumping right into the waves. That guy is really enjoying it.”
She: “Is that you husband out there? You poor thing.”
Wobei wir wieder bei den ältesten aller Fragen angelangt sind: Was ist ein Mann, was ist eine Frau. Aber du wirst dich hüten, eine Antwort zu riskieren, du lässt einfach die Fakten sprechen und streichst Systral auf deine verwüsteten Oberarme.
Und am Abend geht für dich ein Traum in Erfüllung, denn du hast diesmal keine Garnelen gekauft, sondern am Abend macht ihr euch fein und lauft mit euren Freunden ein in Regis (Regi für Reginald) Il Terrazzo, ein open-air Restaurant von kulinarischer Größe. Die Lachsröllchen als Antipasti stehen in direkter Konkurrenz zu ihrem Pendant im Ic Cima gleich nebenan.
Kaum habt ihr die Schwelle zum Il Terrazzuo überschritten, da taucht Regi aus den Tiefen der Küche auf und schlägt dir begeistert auf die Schulter. „Was für eine Show. Du warst wundervoll.“ Zusammen mit dem Fischeinkäufer und der gesamten Familie hatte er gebannt deine Kapriolen verfolgt.
Da sieht dich Doris, Schwägerin von Maria, Regis Mutter. Die etwas betagte, aber enorm muntere Dame schlägt noch ein letztes Kreuz. Bei jedem Brecher hätten Todesängste ihr Herz umweht, und ihre Schwägerin Maria brachte es auf den Punkt: „Du hast da draußen herumgetobt wie ein Junge.“
Und so war es denn wohl. Für eine schöne Stunde laang hattest du der erbarmungslosen Linearität des Zerfalls aller Kreatürlichkeit eine Delle in das glatte Blech getreten.
Und dann lasst ihr alle vergnügt einen Verdala Rosé in den Weinkühler stellen und macht euch hungrig an die Antipasti: Involtini di Salmone affumicato, ein Gaumentraum – allerdings ist der im Ic Cima noch träumerischer und daher hier der Nachbau:
Ähem, meine erster Versuch ist fehlgeschlagen. Bis nächste Woche krieg‘ ich das hin.
Was für eine aufregende Woche. Nein, ich bin nicht mit meiner F800S von Todtmoos nach St. Blasien gefegt, auch die berauschend schöne Silvretta Hochalpinstraße hat mich und mein Bike nicht gesehen, noch habe ich mich mit Obstler und Krokantbecher in bacchantischen Ausschweifungen auf der Überlinger Promenade meinem Rentnerdasein hingegeben.
Das habe ich alles nicht getan. Aber was habe ich getan?
Ich habe italienische Kochrezepte studiert. Leute, das ist Musik. Was ist schon ein „Bündel Schnittlauch“ gegen „un mazzeto di erba cipollina“ oder ein phonetisches Geschoss wie „Dill“ gegen den harmonischen Dreiklang von „aneto“?
Und der Unterschied von „cucchiaio“ und „cucchiano“, das ist ein Wissen, Leute, das in bestimmten Lebenslagen entscheidender ist der Ventilabstand einer Moto Guzzi.
Und ich habe mich in dieser Woche selten durch so viel Lachs, Hütten- und Ziegenkäse, durch so viele Krabben und Fischeier gefuttert. Die Waage im Badezimmer schüttelt traurig den runden Kopf.
Und warum ruiniere ich meinen schon etwas angenagten Luxuskörper. Weil mich die Frage umtreibt: Wie tickt ein Lachsröllchen?
Aber dann stand sie vor mir, die deutsche Röllchenvariante der involtini italiani à la Maltèse.
Eigentlich ist das eine schlichte Sache, wenn nicht die Materialbeschaffung so schwierig wäre. Aber da gehen wir großzügig vor, denn schließlich ist dieses Rezept von Frankreich über Italien nach Malta gekommen, und lebt von der lustvollen Vermischung so mancher kulinarischen Gene. Und wenn deine Gene hier ihre Spur hinterlassen, so ist das nur konsequent.
Das sind deine Arbeitsgrundlagen:
- Räucherlachs oder wie ein sprachlich innovativer Bodenseewirt stolz auf seine Kreidetafel schreibt, „gesmokter Lachs, frisch aus dem Smoker“.
- Fetter Frischkäse. In Italien ist der Caprino ein Muss, das leider bei uns schwer zu bekommen ist. Aber wir bekommen einen streichfähigen Ziegenkäse wie den „Chevremousse“, Auch der „Philadelphia Balance“ hat ordentliche Qualitäten.
- Magerer Frischkäse wie Ricotta oder deutschen Hüttenkäse mit seinem germanisch-herben Charakter.)
- Kräuter wie Schnittlauch, Dill, Petersilie, Strauchsellerie oder was sonst dein Ding ist.
- Krabben, Scampi, Krebse
- 50g Kaviar – am besten vom Lachs, aber der deutsche Seehasenrogen ist auch OK.
Nachdem du eine Nacht dein Arbeitsfeld beschnarcht hast, machst du deinen Plan. Mein Plan für zwei Personen sah so aus:
Variante A
- 100 g Lachs / 4 Scheiben (besser 200g. Was du mit dem Rest machst, sage ich dir später.)
- 75g Chevremousse (aus Ziegenkäse)
- 100g Krabben
- 15g (3 flache TL) körnigen Hüttenkäse
- 1 TL Crème fraiche
- 2 TL Schnittlauch / 1 TL Dill
- 1 EL Olivenöl
- Pfeffer
- 50g Kaviar
Variante B
- 75g Ziegenkäse streichfähig
- 25 gr Ricotta
- 100g Krabben
- 1 TL Saure Sahne oder Kefir (macht den etwas sehr sanften Ricotta herzhafter)
- 1 TL Crème fraiche
- 2 TL Schnittlauch / 1 TL Dill
- 1 EL Olivenöl
- Pfeffer
- 50g Kaviar
Die verschiedenen Käsesorten habe ich mit dem Olivenöl und der Crème fraiche zu einer Creme verrührt, den Kaviar und den gehackten Dill bzw. Schnittlauch darunter gezogen.
Nun braucht es zarte Hände, denn der Lachs in Deutschland ist oft sehr dünn geschnitten. Also habe ich die Lachsscheiben mit meinen Wurstfingern vorsichtig abgehoben. Sind sie zu dünn, nimm ruhig zwei Scheiben, sonst drängelt sich beim Rollen die Creme schamlose in die Öffentlichkeit.
Auf jede Lachsseite kamen 2 TL von der Creme, darauf 6 Krabben, und schließlich wurden die Seiten zu ca 4 cm hohe Rouladen gerollt.
Die schwangeren Röllchen konnten dann 90 Minuten im Kühlschrank reifen, damit sie schnittfest wurden. Dann habe ich mit einem scharfen (!) Messer die Röllchen in je drei Segmente zerlegt, aufrecht auf einen Teller gestellt, dann ein Hütchen aus je einem drittel TL Lachsrogen drauf gesetzt, ein saftiges dunkles Brot (Oldenburger greifen zum Schwarzen Ferkel) daneben gelegt und dann diesen Schmaus mit einem Bodensee Prosecco serviert. Und bald werdet ihr euch in den involtini, dem Prosecco und eurer erstaunlichen Vielarmigkeit verlieren.
Und der Clou bei diesem Rezept: Es ist noch einiges an Creme und Krabben und Lachs übrig. Die Creme und die Krabben rührst du zusammen, und am nächsten Morgen nach einer angenehmen Frühlingsnacht erscheinen sie zusammen mit dem Lachs zu einem Sektfrühstück bei dir und deiner Liebsten, das eure Hormone noch mal auf die höchsten Drehzahlen jubelt.