1. Teil
5. Juni 2010. Was für ein Tag. Gestern bei Sonnenschein um den Lago Maggiore gejubelt, heute bei Regen irgendwo in der Gegend um Andermatt auf das Bike gemuffelt, am Mittag im Regen über den Susten Pass gequält, am Nachmittag am Regen verhangenen Thuner See vorbeigeflucht und am Abend bei Regen in den Wiesentäler Hof in Konstanz geflüchtet.
Wie ein Biber ziehe ich zwar nicht mit meinem Schwanz, wohl aber mit meinen Satteltaschen eine Kleckerspur hoch zu meinem Zimmer im ersten Stock.
Der Wirt schlägt drei Kreuze. Er heißt Fabrizio und ist aus Rom. Es schlägt also drei römisch-katholische Kreuze.
Oben einen Solostrip hingelegt – leider vor ohne Publikum. Alles fantasievoll in dem kleinen Zimmer verteilt. Es sieht aus wie in der Waschküche meiner Großmutter. Dann ein Sprung unter die Dusche, das heiße Wasser prasselt auf den Rücken. Arme hoch und langsam eine Pirouette gedreht. So stelle ich mir das Paradies vor.
Handtuch gegriffen, rubbel, rubbel, ein Bier aus der Minibar, Beine hoch, Fernseher an, „heute“ Nachrichten im ZDF.
Nichts Neues passiert in den letzten zwei Wochen. Wie schön, ich liebe stabile Verhältnisse. Irgendwo finde ich in meiner Waschküche einen Satz trockener Kleidung. Kurzer Blick in den Spiegel? Wie sehe ich aus? Gut sehe ich aus, und damit geht es nach unten. Da unten ist das Restaurant, ich habe Hunger.
Unten begrüßt mich a) eine untergehende Sonne zwischen den Ruinen von Taormina und b) Enrico. Enrico sieht aus wie die mittelalterliche, aber verwegenere Variante von Fabrizio. Warum auch nicht. Die beiden Brüder haben sich das Hotel geteilt, der eine herrscht über die Verwaltung, der andere über die Küche.
Trotz des Hotelnamens ist die Küche italienisch und ausgezeichnet.
Ich schaue mich um. Alles Senioren. Da bin ich richtig. Ich schwanke zwischen einem ossobuco alla romana (‚Wie bei mama!’) und „tagliatelle e salmone“. Ich entscheide mich für die Pasta, weil: Heute paaren sich die tagliatelle mit einem Bodenseefellchen, das ist schon ein Erlebnis.
Die tagliatelle segeln heran zusammen mit einem Schoppen weißen Ovieto, und schon bald sind alle meine Kauwerkzeuge hingebungsvoll an der Arbeit. Gerade greift meine Hand nach dem Ovieto, als von oben links eine weißhaarige Seniorin von einigen deutlichen 70 Jahren hereinschwebt zusammen mit einem Hauch von Lavendel. Die reife Dame hat Stil. Ihr leicht verwirrter, aber hemmungslos zarter Blick fällt auf Enrico. Oh Gott, was für ein Mann! Welche Jugend, dieser Mund, so fein geschwungen, diese schmalen Hände, deren Handrücken ein leichter Flaum veredelt, diese Augen, so voller Verständnis für alle Wünsche diese Welt.
„Signora, wie kann ich Ihnen helfen?“
Oh Gott, denkt sie, da fiele mir viel ein, aber sie sagt: „Haben Sie Tee?“
„Naturalmente, signora.“
„Heißen Tee hätte ich gerne“. Und sie kommt einen Schritt näher: „Was heißt ‚heißer Tee’ auf italienisch?“
„Cha caldo, signora.“
„Cha caldo“, wiederholt sie, „wie schön das klingt.“ Sie ist still, dann: „Ich hätte gerne einen cha caldo.“
„Sofort, signora“. Enrico will gehen.
„Und wie ist es mit einem grünen Tee?“, hält sie ihn fest.
„Wir haben auch grünen Tee, signora.“
Ihr Gesicht leuchtet. „Dann bringen Sie mir doch bitte eine Tasse grünen Tees, junger Mann.“ Sie sagt tatsächlich „grünen Tees“.
Als Enrico mit ihrem grünen Tee kommt, ist von ihr keine Spur mehr im Raum als ein leichter Hauch von Lavendel. Und der grüne Tee ist da. Der ist ihr wohl nicht so wichtig. Aber der junge Mann mit dem rollenden R, das wie ein sanft reißender Fingernagel über den Rücken gleitet, den hat sie mit nach oben genommen.
Und was habe ich mitgenommen? Die tagliatelle e salmone natürlich. Aber davon mehr im Neuen Jahr.
2. Teil
Und schon sind wir im neuen Jahr angekommen, die Katzen haben leicht zitternd ihr Versteck unter den Sofas verlassen, die Studios für Hundepsychiatrie legen Sonderschichten ein, und das neue Jahr macht so weiter wie das alte nach dem Motto: Kommt Januar vor Februar, wird’s Jahr so, wie es immer war.
Und wir machen auch da weiter, wo wir aufgehört haben, wir machen weiter mit
tagliatelle e salmone,
Das ist ein Wortpaar AAAHHH! Das klingt wie Musik. Ich sage nur Così fan tutte o sia La scuola degli amanti. Dagegen kommen die Bandnudeln mit Lachs daher wie ein Schluckauf.
Hier sind sie also, die musikalischen tagliatelle e salmone, doch bevor wir anfangen eine Vorbemerkung:
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser (Ach ja, wenn Lenin darauf ein Copyright gehabt hätte, wäre der Sozialismus nicht gegen die Wand gefahren), das gilt besonders beim Lachskauf. Frosterlachs ist oft kaum zu ertragen, deshalb sieh zu, dass du frischen Zuchtlachs bekommst. Das ist gar nicht so schwierig heutzutage, allerdings kostet er ein bisschen mehr. Aber was ist schon eine Handvoll Geld im Angesicht der Ewigkeit
Und nun geht’s los. Wir brauchen für
den Fisch
- 2 Lachsfilet à etwa 150 oder
- 2 Lachskoteletts à 200g
- 3 EL Salz
- 3 L Wasser
- Zitronensaft einer viertel Zitrone
- 3 EL Butterfett
die Sauce
Enrico nimmt
- 100 g Sahne
- 100 g Crème fraîche
Ich ersetze beides durch 200g Almette mit Kräutern oder etwas Ähnlichem - 100 g Joghurt
- 100 ml Weißwein
- Salz und schwarzer Pfeffer (ein Experiment mit grünem Pfeffer müsste sich lohnen)
- 2 EL frischer Dill gehackt
die Garnelen
- 4-6 rohe Garnelen (aufgetaute Frosterware)
- 1 Knoblauchzehe
- 1 EL Olivenöl
die Pasta
- 150 (-200)g Tagliatelle (am besten die „geknotenen“) oder andere luftige Bandnudeln
Zubereitung
1. 30 Minuten vor der Action den Fisch häuten, trocken tupfen, mit Zitronensaft beträufeln und leicht salzen.
Den Koteletts hast du natürlich vorher die Gräten entfernt.
Dann versammelst du um dich herum deine Kleinteile, zerschneidest den Dill in ganz kleine Fitzelchen und würfelst die Knoblauchzehe mini.
2. Jetzt erhitzt du eine kleine Pfanne mit Olivenöl und dünstest bei mittlere Hitze die Knoblauchwürfelchen leicht an, um dann die Garnelen von jeder Seite eine Minute anzubraten. Anschließend stellst du alles in der Pfanne beiseite. Die Garnelen garen jetzt noch nach.
3. Und nun kommt der Lachs zu seinem Recht. Er mag es heute kurz und heftig. Bei kräftiger Flamme rechts und links je 90 Sekunden braun anlaufen lassen, dann Pfeffer drauf, raus aus der Pfanne und im vorgewärmten Ofen (70 Grad) auf einem Teller warm halten.
4. Dein reichlich gesalzenes Nudelwasser macht sich schon bereit zum Kochen. Also schnell die heiße Fischpfanne mit dem Wein, der Sahne und der Crème fraîche löschen (bzw. Almette).
Dann die Nudeln ins sprudelnde Nass, und während der 8 Minuten, in denen sie sich bissfest kochen, lässt du die Melange in der Fischpfanne bei kleiner Hitze und unter sporadischem Umrühren einkochen. Wird sie zu dick, mit Weißwein korrigieren. Salzen und pfeffern und zwei Minuten vor Schluss fügst du schrittweise den Joghurt (Vorsicht: nicht zu säuerlich werden lassen) und den Dill hinzu.
4. Die Nudeln sind abgegossen und trocken gedampft. Das Knoblauchöl aus der Garnelenpfanne hast du in die Pasta gerührt. Den Knoblauch nicht, den braucht du gleich.
Nun geht es an das Servieren. Hier hast du zwei Möglichkeiten.
Als erfahrener Biker und Ehemann, der den Verbrauch seiner Liebsten gut einschätzen kann, packe auf jeden Teller eine passende Ladung Pasta, darauf je ein Fischfilet, das mit drei Garnelen und dem Knoblauch aus der Garnelenpfanne garniert wird.
Dann kleckere ich voller Genuss die Sauce über Fisch und Nudeln und stochere sie ein wenig ein.
Es geht natürlich aus anders. Du kannst auch die Nudeln in eine breite Schüssel betten, den Fisch in grobe Stückchen zerlegen und über die Nudeln verteilen, alles mit den Garnelen garnieren und dann die Sauce darüber geben. Verspielte Typen streuen vielleicht noch Petersilie.
Dazu passt ein leichter Salat, z.B. dieser Salat mit Fetadressing. Dafür brauchst du:
- 200 g gemischten Blattsalat (wähle den Typ, der dich glücklich macht)
1/2 Bund Radieschen
15 schwarze Oliven
100 g Feta
150 g Almette
1 Knoblauchzehe
1 TL Zitronensaft
Salz und Pfeffer
2 EL Pinienkerne
1 EL Olivenöl
So gehst du vor:
Die Pinienkerne in einer trockenen Pfanne rösten.
Die Radieschen in dünne Streifen schneiden.
Den Feta klein würfeln
Die Knoblauchzehe in kleine Stücke schneiden.
Feta, Almette, Olivenöl, Knoblauch, Zitronensaft, Salz und Pfeffer mit dem Mixerstab zu einer cremigen Sauce verarbeiten. Mit Olivenöl korrigieren. Es sollte eher zu fest als zu flüssig sein.
Den Blattsalat auf eine Platte geben. Die restlichen Zutaten darauf anrichten und die Salatsauce vorsichtig in den Salatberg einstochern
Wenn du keine Probleme mit deinem Bauchspeck hast, oder wenn du einfach etwas mehr an Statur auf deinem Chopper gewinnen möchtest, hier eine kleine Erweiterung:
eine Scheibe Grau- oder Weißbrot würfeln, die Würfel in Olivenöl knusprig braten und über den Salat geben – da räkeln sich Gaumen und Fettzellen so genussvoll wie die Lady in pink auf dem schwarzen Harleypolster.