Terrine d’Armagnac in drei Teilen

Teil 1
Es gibt so Tage, da sollte man gar nicht aus dem Bett kriechen.
Du rührst leicht vertrieft dein Müsli, eine Fingerkuppe wischt den Jogurtbecher legere vom Tisch und PENG, Explosion auf den Fliesen, und WAMM, um dich herum ein Joghurtstern, der sich in 3D-Format bis zu deinem schicken Ledergürtel hoch zieht.
Okay, du bleibst ganz cool, haust nicht auf den Tisch, trittst nicht gegen die Wand, du holst den geduldigen Feudel und beseitigst geduldig die Spuren eines übellaunigen Tagesanfangs.

Der (also der Tagesanfang!) gibt aber nicht auf.
Du füllst deinen Becher mit dem fair trade Kaffee von Mother Africa, lässt einen ersten Schluck spielerisch um die Zunge hüpfen, da klingt sich ein harmloser Tropfen aus, rollt torkelnd in deine Speiseröhre und WUMM fliegt der Kaffeebecher gegen die Raufasertapete (weiß!!!) und WAMM röhrst du dir die Seele aus dem Leib.

Spätestens dann ist dir klar: Dein Karma heute ist im Arsch.

Du schiebst den ganzen Krempel in den Aufguss und rettest dich an deinen PC. Da geht es dir schon wieder besser. Gut gelaunt haust du PECH in die Suchmaschine.

nacktfahrer-endDas war ein Fehler. Warum war das ein Fehler?
Weil: NakedBikeXXL hat bei „Gute Frage“ eine Frage: Ich habe eine Peschstränge mit Mädchen ich kriege einfach keine mehr ab was soll ich machen?

DonnaNegativ, unsere intellektuelle Internetschnauze vermutet: a) Ich wette, du meinst Pechsträhne. b) Hast du schon mal was von Interpunktion gehört?
florabella bringst auf den Punkt: Langweiler bsa emblem end wie du sind im Moment überhaupt nicht gefragt! Als Naked Bike solltest Du mehr im Motor haben als so ein Gejammere!!!!
Und honeyball sieht es philosophisch: Krieg lieber keine mehr ab als keinen mehr hoch.

Jetzt weißt du: Die Welt ist nicht gut, die Welt ist nicht schlecht, die Welt ist einfach trübe.

Du schleichst in die Garage, rollst dein antikes Gestell auf deinen betagten Wohlstandscruiser, schipperst mit der Fähre über den Bodensee und wummerst Richtung Säntis.
Kurz hinter Urnäsch hängt eine Wolke neben der Sonne und ratzfatz wird aus der Wolke ein urnäsch+wolke textschwarzes Ungeheuer, und WUMM knallt dir das Ungeheuer die fette Tropfen auf das Visier. Der Tankboy jammert. Regen mag ich nicht, und WAMM haust du auf die Bremse.

Routiniert kickst du den Seitenständer in die Parkposition, wuchtest dein rechtes Bein unter Berücksichtigung des dritten Lendenwirbels (oh Vater, das zieht hoch bis hinter die Ohren) über den Sattel, schwingst dich von Bock – und trittst ins Leere, und sanft rutscht dein Bike mit seinen 320 Kilo in die Waagerechte.

Mitten in deinem Gejammer – Mein Gott, mein Gott, warum fahr ich bloß so’ne fette Wumme – kommt Mario Morini mit jugendlichem Schwung auf seiner  leichtfüßigen Enduro vorbeigekracht und hilft dir altem Herren mitsamt Bike wieder in die Senkrechte, winkt kurz zum Abschied über die Schulter und röhrt leichtfüßig davon.

Jetzt ist nicht nur dein Karma im Arsch, sondern auch dein Ego im Eimer.
Was machen wir da? Wir denken an bessere Zeiten.

Aber davon das nächste Mal mehr.

Teil 2

Wir denken z.B. an die Tour im Mai 2009 mit der Suzi über Delemont nach St. Ursanne. Das kleine guzzi-elke-kl textJuwel im Schweizer Jura hat sich mit seiner mittelalterlichen Altstadt rechts und links des Doubs eingenistet. Die Einfahrt über die Brücke ist ein Traum – aber unter Bikern kein Geheimtipp.

Am Wochenende auf dem großen Platz glänzen sie Schulter an Schulter, die Guzzis, die Harleys, Kawas, die Triumphs, und wenn du Glück hast auch die Ural von Magnus Henriksson aus Kose in Estland (Magnus: „Aus Eesti!!!“) gleich bei Tallinn. Magnus uralkennt alle Maschinen, die vor 1960 zwischen China und Warschau gebaut worden sind. Und daher weiß Markus: Horst Krause geht nicht mit einer BMW R 71, auch nicht mit einer Ural, Horst geht mit einer Dnepr K 750  auf Verbrecherjagd.

Die Herzklappen deines Bikerherzens röcheln erregt in ihren Scharnieren, aber kauziger Eigenbrödler, der du bist, drehst du eine zögernde Runde. Dann heizt du mit einem kurzen Griff die vier Zylinder so an, dass der älteren Dame im Demi-Lune der Tee aus der Tasse hechtet und schon fauchst rechts aus dem Ort heraus – Oh Mann, in dir röhrt die Kraft von sieben Stieren – und ab geht es den Doubs runter.

Da spielt deine Rentnerherz Akkordeon. In die 80 km haben Schweizer und französische Straßenbauer in europäischer Eintracht freundliche Kurven gezirkelt.

frankies dreamVergessen ist das marode Kreuz, kein Ego mehr im Eimer, ich sage nur: Phönix aus der Asche, ich sage nur: Jungbrunnen, wie schön, dass es dich gibt, einen Kopfstand könntest du machen auf deiner Suzi – so wie vor unendlich vielen Jahren auf deiner geliebten 69 S, als ihr – du und deine Braut – eure Träume vom Kopf auf die Füße und eine flexible Luftmatratze gestellt habt.

Und schon seht ihr – also du und die Suzi – die Häuser St. Hippolyte, dem französischen Bruder des Heiligen Ursanne.
Langsam rollst du von oben in den Ort. Ein Schwenk nach rechts, da bekommt sogar dein Bike Platzangst und drückt sich angstvoll an die bröckelnde Mauerwand: Ein SUV protzt breitfüßig an Euch vorbei.
Dann bist du am Platz. Stopp! Von rechts schiebt sich ein zahnloser Lustmolch heran und verbreitet mit seinem knalligen T-Shirt (I LOVE BAD GIRLS) die verzweifelte Dynamik eines schon kahlen Herbstes.
Von links treibt ein Liebespaar vorbei, die Zungen zärtlich verschlungen.
Ein kurzer Gluthauch aus den Tiefen deiner Erinnerung, dein angemoostes Rentnerherz will gerade anfangen, wieder erregt zu röcheln – da trifft dich der Duft.

Jean Corneille, Boucherie, Charcuterie, Traiteur. Für alle, die mit Wörtern wie Showmaster, Handy oder Shooting Star englischen small talk gestalten: Jean Corneille ist kein Verräter. Jean Corneille grillt, röstet, stopft und siedet in der Grande Rue, dass die Reifen quietschen.
Und der vermarket eine Terrine d’Armangnac, da gibt es nur eins: eine Ladung (C’est une tranche, chambod-bikemonsieur!) abschneiden lassen, im Tankboy versenken und – wenn du  gerade Richtung Süden bist –  ab über die Dessoubre Richtung St. Claude, durch die Gorges de l’Ain zum Camping de l’Ile Chambod.

Das ist ein scheuer Geselle, der seinen Charme vor Touristen gern verbirgt. Da kenne wir aber kein Erbarmen: N 46°7’40“  E 5°25’42“

Dass hier nur ein Brot im Regal steht, von dem die Angelsachsen zu Hause noch Jahre schwärmen, schieben wir mal beiseite. Wir erinnern uns lieber an den gastfreundlichen Rosé. Und wenn sich zusammen mit den Mücken der Abend nähert, dann holst aus den Packtaschen das Systral und das Baguette, das du in weiser Voraussicht in Dortan erworben hast, legst daneben ein Bündel Radieschen, die zusammen mit ihrer leicht sandigen Note deinem trägen Bikerdarm den nötigen Schwung geben, entfaltest das Stück Comté aus der Fromagerie in Pontarlier, lässt das Ganze von eben dem gastfreundlichen Rosé bewachen und krönst dein kaltes Buffet mit der Scheibe (c’est un tranche!!!) von Jean Corneilles Terrine d’Armagnac. Mon dieu, das läben is dok soo ärrlisch.

Und damit kommen wir zu den Geheimnissen dieses kleinen Wunders, …

Mist, die Hauptplatine meines Rechners hat den Geist aufgeben. Der Rechner ist unterwegs zu Atelco und mit ihm das Rezept. Gebt mir ein paar Tage und dann habe ich alles wieder zusammen.

Die Zutaten machen es deutlich: Diese Terrine ist eigentlich eine alkoholisierte Terrine Forestière, die schnell auch mal zur Paté mutiert.
Diese Terrine ist eine komplexe Angelegenheit, und als unverbesserlicher Schrauber weißt du: Organisation kann Freude machen, wenn sie denn sinnvoll ist. Versammele also alle (vorbereiteten) Teile entsprechend der verschiedenen Arbeitsstufen. Und wenn deine ansonsten gerne gesehen Braut ängstlich die allmählich sich vermüllende Küche beobachtet, dann drück ihr eine Biographie der Elinonore von Aquitaine in die Hand oder „Im Bett mit Brad Pitt“ und schieb sie sanft in ihren Lieblingssessel.

Und damit fangen wir mit der

Hardware

  • Eine ofenfeste Schüssel mit einem Deckel und einem Fassungsvermögen von 1 kg (für 700g Paté am Ende des Kochens.)
  • oder
  • eine feuerfeste Schüssel mit ohne Deckel, dafür aber eine Rolle Alufolie.
  • Ein Fleischwolf (Wenn der fehlt, dann kaufst du statt Rehrücken Rinder- der Schweinehack, damit wird das Ganze eh etwas saftiger.)
  • Einen Pürierstab für die Leber.

Die Kernzutaten:

  • 225 g Fleisch deiner Wahl (z.B. Wild, Geflügel, Sau oder Rind …)
  • 150 g Leber nach Wahl
  • 225 g magerer Speck (weder geräuchert noch gesalzen)
    Tipp: Wenn du als Fleisch Wild nimmst, dann sieh zu, dass der magere Speck eher fetter ist, denn Wild ist von Hause aus eher trocken.)
  • 150g frische oder 60 g getrocknete Pilze (eine Mischung ist gut, eine Steinpilzkollektion ist besser.)
  • 2 Eigelb
  • 1 TL Mehl
  • schwarzer Pfeffer
  • Salz
  • Bei Bedarf: Walnussöl

Und so legst du los mit dem
Marinieren.
Das stellst du für die Marinade bereit:

  • Madeira oder Rotwein (Menge siehe unten)
  • 8 cl (zwei ordentliche Schnapsgläser) Armagnac oder Calvados oder iberischen Brandy
  • Salz und schwarzer Pfeffer
  • 1 Knoblauchzehe zerquetscht
  • 3 Nelkenblüten
  • 2 Lorbeerblätter
  • 1 Zweig frischer oder 1/3 TL getrockneter Thymian

Jetzt befreist du sorgfältig die Leber und das Fleisch von den Sehnen und schneidest alles in grobe Würfel.
Diese Würfel marinierst du ca. 24 Stunden, wobei du den Wein mit den entsprechenden Zutaten veredelst.
Das Marinadegefäß wählst du möglichst eng. Du willst doch nicht deinen Wein sinnlos verschwenden. Ein drittel Liter sollte ausreichen.

Am nächsten Tag gibst du alles durch ein Sieb, die Marinade fängst du auf. Die Leber und das Fleisch stellst du so, wie sie aus der Marinade gekommen sind, beiseite. Die Gewürze kommen in die Grüne Tonne.

Jetzt folgt die heiße Phase.

Für die Pilze brauchst du

  • natürlich die Pilze (dazu unten mehr)
  • 1 Schuss Olivenöl
  • 1-2 Knoblauchzehen klein gehackt
  • 1/3 TL Oregano
  • sw Peffer
  • Salz

In dem Olivenöl lässt du den Knoblauch glasig werden, dann gibst du die Pilze mit dem Oregano hinzu, pfefferst und salzt und lässt alles bei geschlossenem Deckel zwei Minuten dünsten. Wenn es zu trocken wird, dann löschst du mit Weißwein.
Achtung: Wenn du die Pilze unpüriert untermischen möchtest, dann zerschneidest du sie in möglichst kleine Würfel.
Getrocknete Pilze sind eine Gaumenweide. (Ein Glückspilz, der sich in Courmayeur gleich hinter dem Mont Blanc mit Steinpilzen eingedeckt hat.). Die zerbröckelst du und weichst sie in etwas Milch 40 Minuten ein. Danach presst du sie in deiner sehnigen Bikerfaust aus und behandelst du sie hier wie frische Pilze.
Tipp: Ich mische gerne 2/3 frisch und 1/3 getrocknet.

Wenn du eine möglichst stromlinienförmige Paté wünschst, dann haust du alles außer einem Esslöffel Pilze (die mischst du später unter) durch den Mixer. Meine Bikerbraut ist ganz heiß darauf.

Wenn du aber dein Holzfällerhemd auch mal bei IADL (??? – Richtig, das ist ein Anagramm, Mann) kaufst, weil dir die Hightec Funktionswäsche zum Hals raushängt (Jean Corneille murmelt da was von „aspect terroir“), dann pürierst du nur die Leber. Den Speck und einen Teil des Fleisches drehst du durch den Wolf. Einen kleinen Teil des Fleisches und die Pilze zerlegst du in Würfelchen. Das wird dann eine Terrine, und die macht mich echt an.

Jetzt fügst du zur Marinade (nimm davon nicht mehr als zwei Tassen) zwei Eigelb, 1 TL Mehl und würzt alles mit Salz, Pfeffer, etwas Muskat – und wenn es dir Spaß macht, mit einem TL Walnussöl, aber einem guten, sonst lass es bleiben.

Dann alles gut vermischen und bei Bedarf nachwürzen.

Die Form mit Butter einreiben, die Masse in die Form geben und die Form mit dem Deckel „versiegeln“, indem du z.B. den Deckelrand mit Öl einreibst und dann den Deckel auf Paniermehl setzt, dabei aber eine kleine Öffnung für das Abdampfen bedenken. Den Deckel auf die Form setzten und voilá.

Oder: Ich bin ein Umweltschwein, ich schenke mir den Deckel und versiegele mit Alufolie und steche mehrmals diskret mit der Gabel in die Folie

Den Ofen hast du auf 170 Grad angeheizt, und schon schiebst du die Terrine in einem Wasserbad in den Ofen und lässt die 90 Minuten garen (90 Minuten für 1 Kg).

Danach kann sie außerhalb des Ofens abkühlen.terrine

Eigentlich war’s das. Aber für die Perfektionisten gibt’s noch einen Zuschlag. Die können ihr Produkt jetzt mit einem Thymianzweig, oder einem Lorbeerblatt, einer Zitronenscheibe, passenden Früchteteilen etc. garnieren und mit einer Schicht Portweingelantine überziehen.

Und dann ein Tipp für die Hyperperfektionisten: Wenn die Terrine aus dem Ofen kommt, hat sie etwas Flüssigkeit produziert, wahrscheinlich das Drittel einer Tasse. Diese Flüssigkeit gießt du ab und vermischst sie mit derselben Menge Portwein. Darin weichst du zwei mittelgroße Gelantineblätter ein, und wenn alles anfängt zu gelieren, streichst du die Glibbersuppe über deine Terrine und die Dekoration.

Dann ab für zwei Stunden in den Kühlschrank

Da hält sich alles eine Woche, und wenn es beim ersten Mal etwas zu trocken wird, dann nimmst du beim zweiten Mal fetteren Speck oder mehr Öl. Und wenn Leber nicht dein Ding ist, dann ersetzt du sie durch Hackepeter. Das Experiment ist die Mutter aller Dinge. Können kommt von „was tun“, denn – und das weißt du auch –ponyhof-kl

Graphik mit freundlicher Genehmigung der Backsteinhausproduktion.
Backsteinhausproduktion?
Kennste nich? Musste aber.
Die bauen keine Bachsteinhäuser. Das ist eine Theatercompagnie der besonderen Art. Hast du schon mal erlebt, wie sich wer den Wolf tanzt? Haste nich? Siehste hier.

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