Der Grüne Kloß – Impressionen, Informationen und ein Rezept

Teil 1

2008, im Jahre der drohenden Pensionierung, pack ich meine Suzi und hau ab über die Elbe. Die dritte Midlife Crisis rollt heran, und ich suche meine Wurzeln. Die liegen irgendwo im Erzgebirge vergraben. Gefunden habe ich nichts. Das Häuschen meiner Lieblingstante – eine trostlose Rasenfläche, der Wanderweg hoch zum Goldenen Hahn – eine schwarze Asphaltstraße. Wie stolz war ich, wenn ich am Sonntag Morgen mit meinem Onkel hoch zum Goldenen Hahn pilgern durfte, um dort noch stolzer einen Kirschlikör herunterzunippen, während meine Tante Berge von grünen Klößen den Kartoffeln abpresste, an ganz besonderen Sonntagen Bergen von grünen Klößen mit einem Gänsebraten, gefüllt mit Beifuß, der mir noch heute meine Träume versüßt. Diese Sonntage sind zusammen mit dem Sozialismus entrückt weit hinter den Regenbogen.

Bevor mich die Melancholie in ihre dunklen Arme nimmt, mach ich mit meiner Reise in die Vergangenheit kurzen Prozess und brumme ab nach Thüringen, in das Land der Klöße. Und lande auf dem Campingpark Eisenach.mutter-montage-kl

Ich sage nur Vatertag.
Oh Mann, wie konntest du so tief fallen. Der Muttertag ist immerhin gut gemein, am Vatertag kannst du nur flüchten. Kaum hat sich meine Suzi an einer lauschigen Ecke des Campingplatzes eingekuschelt, schieben sich drei Biker heran, Bierdose in den Fäusten, Hitze im Gesicht. „Hey Junge, wie sind da oben. Wir ham da ne Kiste stehn. Komm vorbei und reih dich ein.“

Ich habe mich noch nie eingereiht, MINOLTA DIGITAL CAMERAschiebe die Kiste Bier beiseite und mach mich auf zur Wartburg. Das ist ein langer Weg, oben steht mir der Schweiß auf der Stirn und um mich herum stehen 286 ältere und ebenso viele weniger ältere Herren. Wartburg Fest. Alles Wingolfer, christlich-ökumenische Burschenschaftler. Alle sind nüchtern, alle sind eingereiht, sogar der Dackel.

Ich flüchte in die Wartburg. Da ist es dunkel und kühl und schon umwehen sie mich, die Geister der deutschen Vergangenheit: rosenwunder-kloßLuther, der Sängerkrieg, die heilige Elisabeth von Thüringen.

Die heilige Elisabeth und ihre Bedeutung für den grünen Kloß ist kaum bekannt, der Sängerkrieg total vergessen.
Leider, denn der hatte heiße Regeln. Dem schlechtesten Sänger wurde der Kopf abgehackt und auf einen Spieß gesteckt. Die Leute hatten Sinn für Dramatik. Da kann DSDS noch von lernen.

Das totale Highlight ist natürlich Martin Luther …

Herrje, mit mir geht wieder der Studienrat durch. Machen wir erst mal ’ne Kulturpause. Zu Luther und den Klößen kommen wir in der nächsten Stunde.

Teil 2

karikatur1Schon wieder eine Woche rum, wo waren wir stehen geblieben. Na Helen? Eben, Martin Luther. Also …

Aber Martin Luther steht immer noch zentral. Das Duo Luther/Melanchthon hat schließlich das Ego des Papstes auf die Größe einer Kanonenkugel reduziert. (Das waren etwa sechs müde Kilogramm.)
Die Karikatur der beiden vom „gräulichen Papstesel“ – heute wahrscheinlich gendermäßig total inkorrekt – war der totale Hingucker in den Kneipen – nicht aber bei der politischen Klasse.

Das Ergebnis kennt jeder Konfirmand: Als Junker Jörg ging Martin M. auf der Wartburg in den Untergrund und malochte zehn Monate im Schweiße seiner Kutter, dann verließ er zufrieden die Stube mit der Übersetzung des Neuen Testamentes unter dem Arm. Zurück blieben seine Winde, die von den mürben vier Wänden nicht lassen wollten.

Und dann kam die Putzkolonne, holte tief Luft und riss die Türen auf und die Felle aus den Fensteröffnungen. Und es ward Licht. Und was die Putzkolonne sah, ließ die Unterkiefer in Serie nach unten klappen. Okay, Dr. Martin Luther war ein großer Furzer vor dem Herrn. Dr. Martin Luther war aber vor allem ein großer Freund gesellschaftlicher und privater Ordnung. Wie also kam der eklige Tintenfleck an die weiße Wand?

Die Putzkolonne lief zum Oberhofmeister, der ließ sich sofort ein Date beim Kanzler machen. Der Kanzler rannte zum Kurfürsten, der gerade mit dem Cheftheologen bei einer Flasche Tokajer Christliches meditierte. Und schon meditierten die drei zusammen.

Hatte der Meister nicht verkündet: „Ich habe den Teufel an der Wand mit der Tinte besiegt“?
Und schnell entstieg der Flasche Tokajer das Szenario: Es ist Mitternacht, das Licht flackert und der Teufel erscheint an der Wand, verspricht dem Junker Jörg alias Martin M. dieses oder jenes, das zwischen den beiden ein Geheimnis bleibt.
Martin M. – kurz heftig hin- und hergerissen – greift zum Tintenfass und schleudert es in des Teufels schmierige Visage. Der verschwindet heulend mit schwarz-bekleckerter Fresse  und eingezogenem Schwanz in seiner höllisch heißen Unterwelt. Zurück bleibt ein übler Schwefelstink – und eben dieser Fleck.

luther-kloß-textDas ist den modernen Exegeten natürlich alles viel zu dramatisch. Luther hat den Teufel, und das sei für ihn vor allem erst einmal der Papst gewesen, mit seinen Schriften besiegt. Damit liegen sie zwar vollkommen daneben, aber die modernen Exegeten haben immer Recht.

Gott sei Dank flog mir in unruhiger Nacht die wahre Wahrheit des Geschehens zu.
Bruder Martin alias Junker Jörg übersetzte zehn Monate lang aus dem geschliffenen Griechisch das Neue Testament in das Deutsche. Was er an deutscher Sprachmasse vorfand, war ein sprachliches Massaker. Da ein bayrischer Schnaufer, hier eine Serie italienscher Modewörter, dort ein Satz alemannischer Rachenputzer. Da waren Haare raufen, Verzweiflung und Frust allenthalben.
Und schon krachte mit Wut geschleudert das Tintenfass gegen die Wand.

Oh, Mann, tut das gut!
Er blickte um sich. „Gott, Vater, verzeih mit. Du siehst alles, aber sonst hat es niemand gesehen.“ Und leise lächelnd entließ er einen zufriedenen Furz.

Wie dem auch sei: Der Fleck war da und heute ist er weg. Warum ist er weg? Lutherfetischisten haben ihn abgetragfriedrich der weise-text2en. Sie haben das Lutherzimmer total alle gemacht – hier ein Span, da ein Stuhlbein, dort ein Fitzelchen von dem Polster. Am Tintenfleck wurde geschabt, gekratzt, gespachtelt. Und dann war er weg, der Fleck.

Und musste wieder her, damit Pilger wieder schaben, kratzen und spachteln konnten.
Also wurde alle fünf Jahre ein Tintenfass gegen die Wand geschleudert – was gar nicht so einfach war, musste doch immer derselbe Fleck getroffen werden.

Warum ich das alles erzähle? Martin Luther war Thüringer, sein Sponsor Friedrich der Weise ein Sachse und beide waren begnadete Kloßesser.
Ihre Disputationen über den wahren theutschen Kloß waren Legende und leben in trivialisierte Form bis heute fort.

Aber das erfahren wir nächste Woche.

Teil 3 – Prolog

Ist der grüne Kloß ein Thüringer? Kommt er aus dem Vogtland? Vermählen sich in ihm rohe und gekochte Kartoffeln? Darf er mit Gries gebunden oder mit Brotröstchen gefüllt werden? Und wieso grün? Diese grauen Klitscher, bei alten Schlesiern auch als “graue Mäuse“ bekannt, sind doch ebenso wenig grün wie die grünen Heringe oder die grünen Jungs?

Dazu stelle ich fest: Alle Klöße sind sinnvoll, aber der wahre Kloß ist grün, weil:

virago 1100 kloß-bikeGrün steht für roh, grün steht für pur, grün steht für jung und dynamisch. Der grüne Kloß ist der Urkloß.
Der grüne Kloß braucht nur die rohe Kartoffel, ein Häufchen Gries (einige sagen: „Nicht mal das.“) und einen Satz kräftiger Hände – nach Möglichkeit männliche.

Und der grüne Kloß ist mein Lieblingskloß.

Und damit nähern wir uns dem Rezept (endlich!!!).

Das Rezept


Die Hardware:

  • einen 5 l Topf
  • einen Leinensack (zur Not tut es auch ein Geschirrspültuch)

Die Foodware für zwei Personen (vier Klöße)

  • 1250g Kartoffel (keine „neuen“ Kartoffeln)
  • 0,2 l kochendes Wasserzum Abbrühen der Klöße
  • 50 g  Grieß (2 fette EL)
  • ¼  Liter Milch, Wasser oder Fleischbrühe für den Gries
  • Salz,
  • Wer es mag: Muskat

Der Grüne Kloß ist ein einfältig, aber störrisch Ding. Eine raffinierte Selektion von Zutaten ist ihm schnurz egal, aber ohne ultimativen Muskel- und Willenskraft läuft bei ihm wenig.

Daher
1. Kartoffel schälen und reiben.
Softies delegieren das Reiben an eine Küchenmaschine mit Reibeeinssatz. Die harten Kerle holen Omis Reibe vom Boden und reiben nicht nur die Kartoffeln zu Brei, sondern fetzen sich auch lustvoll die Haut von den Knöcheln.

(Ähem, ich bin ein Softie.)kloßsack-kl

2. Die bleiche Pampe im Leinensack auspressen. Der Glückliche, der einen original Kloßsack aus Chemnitz besitzt.
Sieh zu, dass du einen Assistenten hast; am besten einen Biker, der weiß, dass die Kraft in den Händen liegt.

Du lässt den armen Kerl sich die Seele aus dem Leib und den Kartoffeln das Wasser aus der Pampe pressen.
Und wenn der arme Kerl von Krämpfen geplagt dir mit zittriger Hand und fragendem Blick das Pressergebnis überreicht, sagst du: Super, das hast du toll gemacht. Und dann quetschst du mit ausgeruhter Hand noch den letzten Rest Feuchtigkeit aus der gequälten Pampe, freust dich an der Mischung aus Bewunderung und schlechtem Gewissen deines Kloßassistenten und schreitest zum dritten Teil.

3. Den trocken gepressten Kartoffelbrei mit kochend heißem Wasser (s.o.) übergießen.
Frag mich nicht, warum man erst sich die Seele aus dem Leib quetscht, um dann wieder heißes Wasser hinzufügen. Ich folge hier dem Amt für Landwirtschaft und Landwirtschaftsschule Plauen und meiner Lieblingstante aus Karl-Marx-Stadt. Verflucht, ich meine natürlich Chemnitz.
Das Kartoffelwasser lässt du jetzt mindestens eine halbe Stunde stehen, damit sich die Kartoffelstärke am Grunde ablagern kann.

4. Jetzt bringst du Milch, Brühe oder Wasser (Dogma-Köche nehmen nur Wasser!) zum Kochen und streust unter fleißigem Rühren den Grieß hinein, drehst die Hitze auf Null und rührst fleißig weiter, denn was will ein frei laufender Grieß? Klumpen will er, und das aus Überzeugung.
Wenn du das Gefühl hast, er hat Betonfantasien, gib noch etwas Wasser zu.
Noch heiß (ich meine den Grieß) rührst ihn und einen Teil der Kartoffelstärker (nach Belieben) unter die Kartoffelmasse, würzst alles mit Salz (und wenn du willst Muskat) und rührst die Kartoffelstärke dazu. Gries und Stärke sorgen für die Einheit deiner Pampe, die sich mit dem Kochlöffel grad rühren lassen muss.

5. Das Salzwasser kocht, du hast es mit dem ausgepressten Wasser veredelt, du tauchst eine Schöpfkelle in kaltes Wasser, füllst sie flach bis zum Rand und lässt den Kloß ins sprudelnde Wasser gleiten.
Du kannst natürlich statt der Kelle auch deine Hände nehmen: Hände in kaltes Wasser, KIoß formen, ab ins heiße Wasser (nicht die Hände!!).
Wenn du alle Klöße versenkt hast, drehst du die Hitze runter, sagen wir mal von 3 auf 1 und lässt deine grauen U-Boote bei offenem Topf im heißen Wasser ziehen, bis sie nach ca. 15 Minuten auftauchen und an der Oberfläche schwimmen.
Gib ihnen noch 5 Minuten, reiß einen von ihnen vorsichtig auf. Ist er innen gleichmäßig grau, gibst du deine Klöße in ein großes Sieb und lässt sie abdampfen.

Hinweiß: Wenn das Kochwasser voller Kartoffelabrieb ist, bleibst du ganz cool, denn das ist
der normale Lauf der Dinge.

Zu den Klößen servierst du einen Braten, und am zweitbesten einen von der Wildsau – Das Erstbeste ist natürlich die krosse Gans mit Beifußfüllung, aber die hat meine Lieblingstante mit in das verschwiegene Grab genommen.

Wie das geht (also die Wildsau, nicht das kühle Grab), erzähle ich dir iin zwei Wochen.

Und  ein PS: Wenn noch Klöße übrig sind nach dem üppigen Mal: In Scheiben geschnitten und in der Pfanne bei mittlerer HItze gebraten findet meine liebe Braut die grauen Mäuse noch viel aparter.

 

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