Mein Blog „Biken und Kochen“ hat schon seit einiger Zeit seinen Zweck erfüllt. Erinnerungen in meinem Alter sind doch sehr wichtig, und viele Erinnerungen haben mich mit Freude erfüllt, andere mit Wehmut, und einige habe ich für mich behalten.
So wird der Blog wohl kaum noch durch neue Texte wachsen werden, zumal ich vor längerer ein neues Schreibprojekt begonnen habe, das mich sehr in Anspruch nimmt. Zehn Tage aus dem Leben Jan-Uwes, und immer noch nicht weiß ich genau, wo das hinführen soll.
Jan-Uwe fährt keine Bonnie, Jan-Uwe fährt eine Trude, eine Bonnie fährt Frerk, aber das ist eine andere Sache. Eine andere Sache ist auch, dass Sven eine fette Lotte unter dem Hintern hat und Katja auf Bandit steht.
Und Jan-Uwe bin auch nicht ich, aber wir beide haben viel gemeinsam, zum Beispiel diese Motorradtour in die Schwäbische Alb vor einigen Tagen.
„Jan-Uwe und seine Bonnie haben sich Blaubeuren samt Blautopf angeschaut. Der Blautop ist wirklich blau. Wieso er blau ist, ist ihm trotz aller Erklärungsversuche ein Rätsel geblieben. Außerdem ist das Blau seiner Bonnie ein schöneres Blau.
Nach Blaubeuren will er über das Lautertal zurück zu Ingrid. Aber vorher macht er eine Pause, und diese Pause macht er jetzt. In Ehingen. Da hat er ein Eiscafé entdeckt. Manchmal denkt Jan-Uwe, dass er ein genetisch determiniertes Navi im Großhirn hat, das auf Eiscafés eingestellt ist.
Jan-Uwe sitzt am Tisch. Links von ihm hat die Bonneville die Augen geschlossen und genießt die Sonne. Rechts von Jan-Uwe steht ein Tisch, der ist leer. Vor ihm auf dem Tisch steht ein breit aufgestellter Krokantbecher, um dessen Eisberge herum ein cremiger Eierlikör nistet.
Jan-Uwe nippt an seinem Bitter Lemon und schiebt sich vorsichtig einen Löffel mit dem Malaga Eis, das er vorher im Eierlikör gedreht hat, in seinen Mund und – ahhh, was geht es uns gut.
Zwei Kinder lassen sich am Nebentisch nieder, sie vielleicht fünf, er wohl sieben Jahre alt. Sie schauen ihn stumm an.
Eine Frau in ihren knappen dreißiger Jahren kommt mit einem Capuccino für sich und einer ordentlichen Portion Eis für die Kinder. Das sind aufgeweckte Typen, die der Mutter die Welt aus dem schlanken Leib fragen. Und die erklärt ihnen Gott und die Welt mit einem charmanten badischen Zungenschlag, dass Jan-Uwe beinahe seinen Eisbecher vergessen hätte.
Plötzlich steht die Kleine auf. „Du, ist das dein Motorrad“?
Jan-Uwe schaut sich um. Mist. Er ist gemeint. Das passt ihm nun gar nicht. Er flüchtet sich in seinen Eisbecher.
Die Kleine lässt nicht locker und „Jau“ sagt Jan-Uwe. Seltsamerweise versteht das die Kleine.
„Ist das schwer, Motorradfahren?“
Jan-Uwe stapelt gerne tief. „Nein, wie Fahrradfahren – mehr oder weniger.“
Der Junge löst die Schwester ab: „Hast du eine Frau.“
Jan-Uwe verkneift sich das „Jau“ und sagt: „Ja“ und denkt an Ingrid.
„Und darf die auch auf dem Motorrad mitfahren?“
„Die darf das schon, aber die will das nicht“, sagt Jan-Uwe und denkt: „Schade eigentlich.“
Der Junge überlegt und sagt: „Schade.“
Der Junge ist in Ordnung, denkt Jan-Uwe und löffelt sein Eis. Nanu? Da ist ja nichts mehr im Becher. Hat er gar nicht gemerkt.
„Also wenn ihr wollte, könnt ihreuch ja mal das Motorrad anschauen, das ist was ganz Besonderes.“
„Wieso ist das was Besonders“.
„Na, ich zeig es dir.“
Sie alle erheben sich und versammeln sich um die Bonnie. Die öffnet erstaunt die Augen.
„Wo sind denn da die Pedale“, will die Kleine wissen.
Jan-Uwe schluckt. Verdammt, die Kleine muss man ernst nehmen.
„Wenn du mit dem Fahrrad fährst, trittst du von oben nach unten, dein Zahnrad verwandelt die Tretarbeit in eine Drehung und setzt die Kette in Bewegung, und die treibt das Hinterrad an.“
„Das ist doch klar“, sagt die Kleine, den Hinweis auf die Drehung hat sie gleich aussortiert. „Und wie geht das bei dem Motorrad?“
„Siehst du die beiden Zylinder hier, in denen laufen zwei Kolben, also so etwas wie zwei Fäuste. Und wenn die Maschine startet, dann flitzten die hoch und runter, wie deine Beine beim Fahrradfahren. Na, den Rest kennst du.“
„Und da drinnen ist dann ein Zahnrad, das die Kette antreibt?“
„Du sagst es.“
„Und was ist das Besondere an deinem Motorrad“, will der Junge wissen.
„Das ist eine britische Lady …“
„Eine was?“
„Das ist ein britisches Modell. Und bei diesem Modell stehen die Zylinder stolz aufrecht, die sind nicht müde nach vorne gekippt oder hängen schlaff quer am Motor.“
„Das finde ich gut. Dann haben es die Kolben deiner ‚britischen Lady‘ (Er spricht die Silben einzeln aus und wartet auf Jan-Uwe Anerkennung, Jan-Uwe hebt den Daumen, der Junge strahlt.) doch viel leichter.“
Jan-Uwe erklärt der badischen Dame, dass ihre Kinder eine wahre Freude sind. Dann setzt er die Bonnie auf den Ständer und den Jungen oben drauf, also nicht auf den Ständer, auf die Bonnie, erklärt das Zusammenspiel von Zündschlüssel und Starter. Dem Jungen leuchten die Augen und schon tuckert die Bonnie im Leerlauf.
„Eh du, ich will auch mal da rauf.“
Jan-Uwe holt den Jungen herunter und setzt die Kleine auf die Sitzbank und erklärt ihr (der Kleinen) das Zusammenspiel von Kupplung, Gasgriff und Schaltung. Ihre Hände müssen noch wachsen und Krach! ist der erste Gang eingelegt. Das Hinterrad schnurrt und die Kette rödelt.
Die Kleine ist begeistert. „Ist das gefährlich, Motorradfahren?“
Schon will Jan-Uwe antworten: „Überhaupt nicht“, aber dann bewegt er nachdenklich den Kopf. „Na, ja, gefährlicher als Fahrradfahren schon.“
„Hast du schon mal einen Unfall gehabt?“
Das Interview wird ihm langsam zu persönlich. Er zieht sich seine Jacke an, setzt den Helm auf und sucht nach den Handschuhen.
„Hatt‘ ich schon, dabei hat meine Frau einen Schneidezahn verloren, aber das ist lange her.“
Jan-Uwe startet die Maschine, winkt den dreien zu, setzt die Bonnie vorsichtig in Bewegung und verlässt Ehingen, wo man die Häuser sehr eigenwillig baut.
Seine Stimmung ist prima. Neugierige Kinder, es gibt doch nichts Schöneres.“
Es wird euch nicht überraschen, dass Jan-Uwe gerne am Herd steht, allerdings mag er es kurz und bündig, und wenn er Reste zusammenmischen darf, dann lebt er auf. Zum Beispiel, als im Kühlschrank ein total misslungener Wildschweinbraten eigentlich auf seine Entsorgung wartete und zwei Scheiben Kassler vor dem Verfallsdatum gerettet werden mussten. So hat er das gemacht: …
Also Jan-Uwe ist ein echtes Sensibelchen. „Das ist doch nur ein Resteessen. Das kannst du doch niemandem zumuten.“
Also gebt mir noch ein Woche, dann habe ich ihm das Rezept entlockt.
Peinlich! Bei dem schönen Wetter habe ich ganz den versauten Wildschweinbraten vergessen. Also schnell zu Jan-Uwe.
Er hat seinen Backofen (Umfluft) auf 170 Grad vorgeheizt und sich bereitgestellt:
- a) 2 Scheiben Kassler, von beiden Seiten scharf angebraten.
- b) 150 g vertrockneten Wildschweinbraten, sehr klein gewürfelt.
100 g rote Paprika klein gewürfelt
100 g Zucchini klein gewürfelt und blanchiert
3 TL Joghurt
2 TL Crème fraiche
30 g geriebenen Parmesan
Also als Neuschwabe hat Jan-Uwe natürlich den Allgäuer Parmesan im Haus, aber die Italiener machen auch eine ordentliche Variante.
½ TL Majoran
Salz und Pfeffer. - c) 100 g grob geraspelten Gouda.
Und so hat er alles zusammengebaut:
Er hat die Teile unter b) zu einem Brei zusammengemischt.
Dann hat er das Fleisch auf das heiße Backblech gelegt (Wer will, kann das Blech auch mit Backpapier belegen.) und es mit dem Brei bedeckt, um dann darüber den Gouda zu verteilen.
Und dann hat er alles für fünf Minuten in den Ofen geschoben.
Danach Ofen aus und Grill an.
Nach weiteren drei Minuten hat Jan-Uwe das überbackene Fleisch auf die vorgewärmten Teller gelegt und zusammen mit einem leichten Sylvaner auf den Tisch gestellt.
Und da in diesem Rezept schon eine Menge an Gemüse integriert ist, hat er auf einen Salat verzichtet. Stattdessen gab es eine klein gehaltene Schüssel Pommes (Jan-Uwe muss in seinem Alter auf die Linie achten. Dennoch hat er sich für letzten fünf Pommes einen Klacks Majo genehmigt).
Nachwort:
Seht zu, dass ihr immer ein paar Reste im Kühlschrank habt. Ihre Kombination hält die grauen Gehirnzellen in Schwung und macht aus einem trägen Geschmackszentrum ein neugieriges. ‘
Und wenn ihr kein total vertrocknetes Wildschwein in der Wohnung habt – und wer hat das schon? – dann würfelt ihr vielleicht etwas mageren Speck, bratet ihn kurz an und mischt ihn statt der Wildsau unter’s Gemüse. Vielleicht schmeckt das sogar noch besser.